EU-Einigung zu Grenzwerten Bessere Luftqualität, wohl keine Fahrverbote
Dreckige Luft macht krank und kann zum Tode führen. In der EU sollen nun die Grenzwerte für mehrere Schadstoffe verschärft werden. Deutschland setzte durch, dass Fahrverbote bei der Neuregelung wohl keine Rolle mehr spielen.
Im Kampf gegen Luftverschmutzung sollen in der EU künftig strengere Grenz- und Zielwerte für verschiedene Schadstoffe gelten. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Länder verständigten sich auf neue Obergrenzen unter anderem für Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO2) und Schwefeldioxid (SO2), wie das Europaparlament mitteilte. Auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft bestätigte eine Einigung. Diese muss noch offiziell von den EU-Staaten und vom Parlament gebilligt werden, was aber zumeist eine Formsache ist.
Die Grenzwerte für Feinstaubpartikel etwa werden der Einigung zufolge bis 2030 um 60 Prozent gesenkt. Zudem sollen Bürger Anspruch auf Entschädigung bekommen, wenn sie wegen nicht eingehaltener Grenzwerte krank werden. Allerdings dürfen Staaten in Ausnahmefällen und unter Auflagen das Zieljahr nach hinten verschieben. Zu diesen Auflagen sollen aber Fahrverbote nicht gehören, was auf Drängen Deutschlands durchgesetzt wurde.
Umweltministerin Lemke "sehr erleichtert"
Fahrverbote seien nun zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich, so ARD-Korrespondent Tobias Reckmann. Umweltministerin Steffi Lemke zeigte sich "sehr erleichtert" über die Einigung in Brüssel und sprach von einem "großen Fortschritt für saubere Luft und die Gesundheit der Menschen in Europa". Der Kompromiss berücksichtige zudem das deutsche Anliegen, Fahrverbote in Städten zu verhindern, betonte die Grünen-Politikerin. Aus Ministeriumskreisen hieß es, mit dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission seien solche Fahrverbote zu befürchten gewesen.
Die Einigung stehe für eine "Abkehr von veralteten Standards, von denen einige 15 bis 20 Jahre alt sind", erklärte der zuständige Verhandlungsführer im Europaparlament, der Sozialdemokrat Javi López. Die Luftverschmutzung sei eine "Pandemie in Zeitlupe", die in der EU noch immer zu zahlreichen Krankheiten führe.
WHO-Empfehlungen gehen weiter
Die neuen Ziele bleiben jedoch hinter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2021 zurück. Ursprünglich hatte das Parlament eine strikte und verbindliche Anpassung an diese Empfehlungen bis zum Jahr 2035 gefordert. Die Mitgliedsstaaten hingegen unterstützten lediglich die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Werte bis 2030, die weit weniger drastisch sind.
Nach Ansicht der Union im Bundestag schießt der Kompromiss weit über das Ziel hinaus. Technisch nicht machbare Grenzwerte dienten weder Umwelt noch Gesundheit, sagte Vize-Fraktionschef Steffen Bilger. Man habe die Warnung von Kommunen und Wirtschaft vor Einschnitten bei Mobilität und Industrieproduktion ignoriert. "Aufgrund der neu vorgesehenen individuellen Entschädigungsrechte ist nun zudem mit Klagewellen zu rechnen", warnte Bilger.
Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins, befürchtet Fahrverboten oder den Stopp von Bauprojekten.
EU-Verfahren gegen Deutschland
Deutschland hatte jahrelang gegen die alten EU-Grenzwerte vor allem bei Stickoxiden verstoßen und ein EU-Verfahren gegen sich ausgelöst. Konkrete Sanktionen sah die EU-Regelung jedoch nicht vor. Umweltverbände setzten über Gerichtsklagen letztlich durch, dass in einigen deutschen Städten in einzelnen Straßenzügen Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge ausgesprochen werden mussten. Mittlerweile werden die Grenzwerte in Deutschland fast überall wieder eingehalten.
Nach Daten der Europäischen Umweltagentur starben 2021 wegen der Luftverschmutzung mehr als 300.000 Menschen in der EU. Allein der Feinstaub durch Reifenabrieb oder Industrieanlagen sei für mehr als 250.000 Tote verantwortlich. Dazu kommen Stickoxide etwa durch Diesel.