Bauprojekt "Grand Ouest" Wie der Immobilienkonzern Adler mit Kunden umgeht
Eine Frau kauft eine Wohnung. Fast sechs Jahre später ist sie immer noch nicht fertig gebaut. Das wirft Fragen zum Geschäftsgebaren des umstrittenen Immobilienkonzerns Adler Group in Frankfurt auf.
Johanna M. hat sich auf ein Geschäft eingelassen, das sie längst bereut. Johanna M. heißt in Wirklichkeit anders, sie will ihren richtigen Namen nicht öffentlich machen.
Vor ein paar Jahren erbt sie Geld von ihrer Großmutter. Das Geld will sie sinnvoll anlegen, in eine Immobilie. Sie entscheidet sich für eine Ein-Zimmer-Wohnung: zentrale Lage, gegenüber der Frankfurter Messe, in einem denkmalgeschützten Bau am Rande des noblen Frankfurter Westends. "Grand Ouest" heißt das Projekt.
Der Bauträger kündigt an, dort mehr als 160 Luxuswohnungen zu schaffen. Johanna M. kauft. "Im Dezember 2017 war ich beim Notar, und da wurde der Kaufvertrag geschlossen", sagt sie. "Damals stand im Vertrag, dass die Wohnung November 2019 fertig wäre." Ist sie aber nicht. Bis heute nicht.
Immer wieder neue Termine
Stattdessen wird Johanna M. vertröstet - mit immer wieder neuen Fertigstellungsterminen. Der Bauträger wechselt mehrfach. Seit Juni 2020 gehört das "Grand Ouest" zum Immobilienkonzern Adler Group.
Johanna M. wird schnell unruhig. Sie will wissen, ob es vorangeht. Die Antworten des Bauträgers beschreibt sie als "viel Text mit wenig Inhalt". Immer kurz vor dem angekündigten Fertigstellungstermin, so schildert es M., sei ein Brief gekommen, in dem ein neuer Termin avisiert wurde: "Und so ist es dann immer wieder und wieder und wieder passiert."
Als Begründungen werden Corona, Umstrukturierungen im Unternehmen oder Lieferengpässe genannt. Zuletzt wurde Johanna M. mitgeteilt, die Wohnung werde am 30. September dieses Jahres fertig sein. Aber Johanna M. hat erhebliche Zweifel. Vor rund sechs Wochen hat sie ihre Wohnung erneut besichtigt. Echte Fortschritte habe sie nicht erkennen können, erzählt sie. Und ihr vorheriger Besuch lag fast ein ganzes Jahr zurück.
Kein Einzelfall
Die Wohnung - der Quadratmeter-Preis 2017 lag bei etwa 9600 Euro - ist nach wie vor eine Baustelle. Die Adler Group, seit 2020 für das "Grand Ouest" verantwortlich, bleibt auf Anfrage einen konkreten Termin schuldig. Eine Pressesprecherin schreibt: "Nach jetzigem Planungsstand werden die Wohnungen Ende Q3/Anfang Q4 baulich fertiggestellt sein". "Ende Q3/Anfang Q4" - das würde heißen: Ende September, Anfang Oktober.
Raphael Slowik kennt das. Slowik ist Rechtsanwalt für Wirtschafts- und Strafrecht. Er vertritt Johanna M. und andere Wohnungskäufer im "Grand Ouest".
Das "Grand Ouest" sei kein Einzelfall, sagt Slowik. Bauprojekte würden begonnen, die Wohnungen verkauft - dann passiere lange nichts. Dafür sei Adler inzwischen bekannt: In Berlin, in Hamburg, am Offenbacher Kaiserlei-Kreisel.
Derzeit untersuchen Staatsanwaltschaft, das Bundeskriminalamt und die Finanzaufsicht BaFin die Hintergründe der Geschäfte der Adler-Group-Firmen. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
Viele offene Fragen
Rechtsanwalt Slowik meint, bei den "Adler"-Projekten ein Muster zu erkennen. Auch in Frankfurt beim "Grand Ouest". "Seit zwei, drei Jahren kann man beobachten, dass keine Baufortschritte mehr vorgenommen werden", sagt Slowik. "Die Begründung, dass das an Corona liegt, ist einfach unglaubhaft. Es scheint so zu sein, wie bei anderen Bauvorhaben, dass das Geld einfach nicht vorhanden ist. Dass das Geld möglicherweise für andere Zwecke zweckwidrig verwandt worden ist."
Nachfrage bei der Adler Group: Wie steht der Konzern zu dem Vorwurf, Verkaufserlöse aus dem "Grand Ouest" würden nicht für die zügige Fertigstellung des Projekts verwendet? Es gibt keine Antwort auf diese Frage.
Für Käuferin Johanna M. ist der Traum von der eigenen Wohnung längst zum Albtraum geworden. Rund 360.000 Euro hat sie inzwischen gezahlt, etwa 80 Prozent des Gesamtpreises. Sie wünscht sich mittlerweile, ihr Geld zurückzubekommen, sie will raus aus dem Projekt. Doch dieser Ausweg bleibt ihr bislang versagt. Johanna M. hat den Eindruck: "Man kann im Leben alles kündigen, nur anscheinend einen Bauträger-Vertrag nicht."
Rechtslage hilft nicht
Rechtsanwalt Slowik sieht da tatsächlich eine Lücke im Gesetz. "Das Bauvertragsrecht gibt den Erwerbern keine Möglichkeit, aus stockenden Bauvorhaben auszusteigen", sagt er. Damit sei aber auch der Anreiz für Firmen, von Käufern bereits gezahlte Gelder möglicherweise zweckwidrig zu verwenden oder Wohnungen nicht fertigzustellen, "einfach sehr, sehr groß".
Slowik steht mit seiner Kritik nicht alleine. Fachpolitiker im Bundestag und Experten warnen schon seit längerem: Das Gesetz lasse Wohnungskäufer und Häuslebauer im Regen stehen, wenn die Bauträger nicht liefern. Oder gar Insolvenz anmelden. Schon seit Jahren wird deshalb über eine Reform des Gesetzes diskutiert, aber der Entwurf für die Gesetzesänderung liegt immer noch bei Bundesjustizminister Marco Buschmann.
Unrealistische Versprechungen?
Im Fall Johanna M. zehren die mittlerweile fast sechs Jahre Auseinandersetzung um ihre Ein-Zimmer-Wohnung an ihren Nerven. "Das ist natürlich belastend, wenn man quasi sein ganzes Geld in eine Wohnung investiert, und Stand heute habe ich gar nichts davon", sagt sie. "Und emotional gesehen würde ich auch sagen, dass das Geld im Moment verloren ist. Das ist natürlich sehr heftig, wenn man dann von null anfangen muss."
Rechtsanwalt Slowik will jetzt Strafanzeige gegen Adler stellen. Der Vorwurf: Johanna M. und alle anderen "Grand Ouest"-Wohnungseigentümer seien getäuscht worden. Eine Fertigstellung der Wohnungen zum versprochenen Termin sei nie realistisch gewesen.