Sinkende Energiepreise "Ein Anbieterwechsel lohnt sich in vielen Fällen"
Die Gas- und Strompreise sind sehr viel niedriger als noch vor einem Jahr. Für Privatkunden kann sich ein Versorgerwechsel lohnen. Allerdings könnten die sinkenden Gaspreise zum Problem für den Klimaschutz werden.
Die Anspannung in der Bundesnetzagentur sei mit Händen zu greifen gewesen, erinnert sich Behörden-Chef Klaus Müller an die Krisenzeit vor einem Jahr. Damals entwickelte die Netzagentur Notfallpläne, um festzulegen, welche Unternehmen möglicherweise vom Netz genommen werden müssen, wenn das Gas knapp werden sollte.
Gasspeicher schon jetzt fast voll
Heute sei die Stimmung deutlich besser, sagt Müller: "Wir sitzen inzwischen auf Gasspeichern, die jetzt schon zu praktisch 90 Prozent gefüllt sind. Wir sehen konstante Einsparungen in der Industrie, aber auch bei privaten Haushalten." Das Bewusstsein dafür, dass Gas wertvoll sei, habe sich geändert, stellt der Präsident der Bundesnetzagentur fest. Auf den kommenden Winter sei man deutlich besser vorbereitet.
Diese Entspannung spiegelt sich in den Preisen wider, wie aus Zahlen des Verbraucherportals Verivox hervorgeht. Danach haben die Neukundenpreise beim Gas im September 2022 ihren Höchststand erreicht. Inzwischen sind die Preise deutlich gesunken, liegen aber weiterhin höher als Anfang 2021. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich beim Strom, der teilweise mit Gas erzeugt wird.
Worauf Energiekunden achten sollten
Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass die Energiepreise in der Grundversorgung derzeit häufig höher liegen als bei anderen Versorgern: "Ein Anbieterwechsel lohnt sich in vielen Fällen", sagt Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Aus der Grundversorgung kann man jederzeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist wechseln." Bei Sondertarifen hänge die Frist von der vereinbarten Vertragslaufzeit ab.
Allerdings warnt die Verbraucherschützerin davor, bei der Anbietersuche nur auf den Preis zu schauen: "Kunden sollten darauf achten, ob der potenzielle neue Anbieter in der Vergangenheit negativ aufgefallen ist, zum Beispiel weil er Kunden in der Krise vorzeitig aus laufenden Verträgen entlassen hat."
Wird der Umstieg auf Wärmepumpen unattraktiver?
In den kommenden Jahren könnten die Gaspreise sogar noch weiter sinken, glaubt Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum: "Es gibt ja etliche neue Gasressourcen, die augenblicklich erschlossen werden und die 2026 oder 2027 neu auf den Markt kommen", so der Umweltökonom. Damit meint er unter anderem die geplanten Lieferungen von Flüssiggas aus Katar.
Für Verbraucher sei das eine gute Nachricht, sagt Löschel, für den Klimaschutz sieht er aber Probleme: "Wenn Gas sehr günstig wird, dann wird es sehr schwierig, Leute dazu zu bewegen, auf Alternativen umzusteigen." Der Wechsel von Gasheizung auf Wärmepumpe könnte so zum Beispiel weniger attraktiv werden.
Die Politik kann Einfluss auf die Gaspreise nehmen, indem sie den Ausstoß von CO2 bepreist. Bereits im kommenden Jahr wird der deutsche CO2-Preis deutlich steigen und damit auch das Heizen mit fossiler Energie verteuern. Allerdings muss die Regierung neben dem Klimaschutz auch die Interessen von Verbrauchern und Industrie berücksichtigen.
Strompreis bleibt wohl vorerst hoch
Die langfristige Perspektive sei beim Strom anders als bei Erdgas, sagt Energieexperte Löschel. Hier befürchtet er für die kommenden Jahre ein hohes Preisniveau, unter anderem weil die Nachfrage nach Strom steigen dürfte, beispielsweise wegen der steigenden Zahl von E-Autos.
Aus klimapolitischer Sicht sei ein günstiger Strompreis wichtig, so Löschel, weil klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen oder Elektroautos mit Strom betrieben werden. Umso wichtiger ist aus seiner Sicht deshalb der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien.