Immer weniger Zweigstellen Wenn die letzte Bankfiliale schließt
Deutsche Banken dünnen ihr Filialnetz seit Jahren aus. Eine Genossenschaftsbank im Taunus geht noch weiter und schließt auf einen Schlag sämtliche Standorte. Doch es gibt auch alternative Wege.
Achim Brunner leitet die Raiffeisenbank im Hochtaunus. Die hat ihren Hauptsitz in Bad Homburg und vier Filialen - noch. Denn Ende des kommenden Monats sollen die Lichter in diesen Filialen dauerhaft ausgehen. "Die wurden pro Stunde vielleicht von zwei Kunden besucht, die haben zum Beispiel Geld abgehoben oder überwiesen, mit einem Papierformular", sagt der Vorstandsvorsitzende. Dafür die Standorte den ganzen Tag offen zu halten und dort jeweils zwei, drei Mitarbeiter zu beschäftigen, das rechne sich für die Genossenschaftsbank einfach nicht.
Ein radikaler Schritt, mit dem das Geldhaus im Jahr mehr als eine Million Euro spart. "Filialen gehören nicht zur Zukunft der Bankenbranche", steht für Bankenchef Brunner fest. Und Beratung könnten die Kunden weiter bekommen, etwa zu Baufinanzierung oder Altersvorsorge, nämlich in der Zentrale in Bad Homburg. Dort richte man extra ein Beratungscenter ein. Und man berate nun auch per Video, da die meisten der 16.000 Kunden ihre Geldgeschäfte längst online erledigten.
Sechs Kilometer längere Fahrt fürs Geldabheben
Trotzdem trifft diese Entscheidung manche Kunden hart, etwa Ute Faber. Sie wohnt im Frankfurter Stadtteil Kalbach, wo eine Zweigstelle der Bank schließen wird. "Das ist eine Katastrophe", sagt die fast 70-Jährige. Gerade hat sie dort ihr Schließfach aufgelöst. Nur allein fürs Geldabheben künftig nach Bad Homburg zu fahren, das seien für sie jedes Mal mindestens sechs Kilometer mehr. Deshalb wechselt sie zu einer anderen Bank, die noch einen Standort in der Nähe hat.
Das Filialsterben ist in der Bankenbranche seit Langem zu beobachten. Nach Angaben der Bundesbank ist die Zahl der Zweigstellen in den vergangenen 20 Jahren von mehr als 54.000 auf zuletzt rund 21.700 zurückgegangen. Joachim Wuermeling, Mitglied im Vorstand der Bundesbank, führt das auf die zunehmende Digitalisierung zurück: "Letztlich erleben wir bei den Banken dasselbe wie im Einzelhandel, bei den Buchhändlern oder im Musikgeschäft", sagt der Bankenaufseher. Die wirtschaftliche Tätigkeit verlagere sich zunehmend ins Netz.
Großbanken besonders radikal
Filialen, einst die Quelle des Bankgeschäfts, sorgten bei den Geldhäusern in Zeiten von Online-Banking zunehmend für Verluste, sagt Wuermeling. "Das wollen die Banken natürlich vermeiden, und das verlangen wir auch von ihnen." Die Corona-Pandemie hat den Trend zu Filialschließungen Wuermeling zufolge noch beschleunigt. Denn während der Lockdowns wurden viele Standorte geschlossen und nie wiedereröffnet.
Besonders radikal gehen laut Bundesbank Großbanken wie die Commerzbank vor. Dort sollen von einst 1.000 Filialen noch 400 übrigbleiben, also nicht einmal die Hälfte. Schließlich kämen kaum noch Kunden in diese Filialen, mit den meisten sei man digital im Kontakt, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme: "Zudem stehen wir unseren Kunden mit unserem Beratungscenter zur Verfügung, auch abends und am Wochenende." Beratung gebe es telefonisch, per Mail oder Video. Damit schließe man die Lücke zwischen Filialen und digitalem Banking.
Mehr Vertrauen durch persönliche Beratung
Einen massiven Filialrückgang gab es in den vergangenen Jahren auch bei der Deutschen Bank. Nächstes Jahr plant das Institut noch mit 400 Standorten, dazu kommen 550 Filialen der Postbank. An diesen Standorten will die Bank nach eigenen Angaben festhalten, da man auch in Zukunft in Deutschland flächendeckend präsent bleiben wolle.
Auch wenn es in Zukunft immer weniger Zweigstellen geben dürfte, werden sie nicht völlig überflüssig, glaubt Hans-Peter Burghof, Bankenexperte der Universität Hohenheim. "Technisch gesehen kann man Bankgeschäfte zwar digital abwickeln, aber oft spielt dabei Vertrauen eine große Rolle", so Burghof. Dafür sei es wichtig, dass man einander persönlich gegenübersitze. Auch ein regionaler Bezug könne helfen.
Allianzen zwischen Konkurrenten
Noch wichtiger scheint die regionale Verwurzelung für viele Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Damit die sich von wenig frequentierten Filialen gerade auf dem Land nicht trennen müssen, betreiben die Institute Filialen teilweise gemeinsam mit Konkurrenten. Eine kreative und pragmatische Lösung, findet Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Goethe-Universität Frankfurt, denn: "Auf der einen Seite sparen die Institute Geld, auf der anderen Seite können sie für die Kunden weiter vor Ort bleiben."
Solche Kooperationsfilialen betreibt zum Beispiel die Sparkasse Darmstadt mit der Volksbank vor Ort. Gerade ist man dabei, in Roßdorf, einer Gemeinde mit etwa 12.000 Einwohnern in Südhessen, den neunten Gemeinschaftsstandort zu eröffnen. Die Sparkasse bezeichnet das als Zukunftsmodell, durch das Filialen in ländlichen Regionen einigermaßen wirtschaftlich weitergeführt werden könnten. Dazu kann die Sparkasse als öffentliches Institut ihren Auftrag weiter erfüllen - nämlich Unternehmen und Menschen auch in der Region mit Finanzdienstleistungen aller Art zu versorgen.