Schadensersatzklage in München Weitere schwere Vorwürfe gegen Ex-Wirecard-Vorstände
Nach der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters Wirecard müssen sich ehemalige Verantwortliche nicht nur in einem Strafprozess verantworten. In München wurde eine Schadensersatzklage über 140 Millionen Euro verhandelt.
Es geht um viel Geld. Um 140 Millionen Euro sollen ehemalige Vorstände, unter ihnen auch der frühere Vorstandschef Markus Braun und Aufsichtsräte, die Wirecard AG geschädigt haben. Das wirft ihnen der Insolvenzverwalter Michael Jaffé vor. Sie hätten nämlich ihre Aufsichtspflicht als ordentliche Geschäftsleute eklatant verletzt.
Der Vorsitzende Richter Helmut Krenek machte in der mündlichen Verhandlung am Landgericht München I deutlich, dass manches für diese Sicht der Dinge spreche. Wie in Zivilprozessen oft der Fall, ließen sich Kläger und Beklagte von ihren Anwälten vertreten.
Ungesicherte Kredite an Geschäftspartner
Innerhalb weniger Monate Ende 2019 und Anfang 2020 wollte der Wirecard-Vorstand um den damaligen Chef Markus Braun unbedingt einer Firma in Singapur einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro gewähren. Wenige Monate später sollten einer Tochter dieses Unternehmens ebenfalls 100 Millionen gegeben werden - mit dem Argument, neue Zahlungsgeschäfte über den Dienstleister abzuwickeln.
Dem hat der Aufsichtsrat zugestimmt. 60 Millionen wurden zurückgezahlt, 140 Millionen sind wohl weg. Obwohl Wirecard seit dem Aufstieg in den DAX neue Finanzierungsmöglichkeiten offen standen, waren diese Kreditsummen die höchsten, die jemals an Geschäftspartner bezahlt wurden, und zudem waren die Kredite ungesichert. Laut Insolvenzverwalter stellten sie ein erhebliches Risiko für das Unternehmen dar. Damit hätten die Verantwortlichen gegen ihre Pflichten verstoßen.
Aufsichtsrat gegen Vorstand
In der Verhandlung wurde deutlich, dass die Aufsichtsräte der Ansicht sind, dass sie von den damaligen Vorständen der Wirecard AG, nämlich vor allem von Braun und dem Finanzvorstand Jan Marsalek hinters Licht geführt wurden.
Rechtsanwalt Stefan Freund, der den Ex-Aufsichtsrat Stefan Klestil vertritt, sprach von einer ausgeprägten Bande im Vorstand. "Die haben im Vorstand eh gemacht, was sie wollten." Ob der Insolvenzverwalter mit seiner Klage Erfolg hat, wird das Gericht im September entscheiden.
Weitere Zivilklagen stehen an
Diese Klage war eine von vielen, die in München im Wirecard-Komplex verhandelt werden. Ex-Vorstandschef Braun und weitere Verantwortliche müssen sich wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation in einem Strafprozess verantworten. Außerdem sind im Moment rund 4.300 Zivilverfahren anhängig, davon 4.100 gegen das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY, das die Bilanzen des Unternehmens testiert hat und dem schwere Versäumnisse vorgeworfen werden.
Im Herbst soll außerdem vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht ein sogenanntes Kapitalanleger-Musterverfahren beginnen. Dort werden Klagen gebündelt verhandelt. Angesichts der 3.500 Beteiligten sucht das Gericht einen ausreichend großen Verhandlungssaal.