Mögliche Übergewinnsteuer Lassen sich Krisengewinner zur Kasse bitten?
Italien und andere EU-Staaten machen es vor - und auch in Deutschland werden immer wieder Forderungen nach einer Sondersteuer auf hohe Krisengewinne laut. Doch geht das rechtlich? Ein Überblick.
Schon im März hat Italien auf die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine reagiert und eine Abgabe für Unternehmen des Energiesektors eingeführt: Die "außerordentliche Solidaritätsabgabe" wird - Stand jetzt - einmalig in diesem Jahr erhoben. Laut dem damaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi soll mit der neuen Steuer "ein Teil der Übergewinne erfasst werden, die Unternehmen des Energiesektors aufgrund der erhöhten Rohstoffpreise erzielen". Im Klartext: Italien bittet Unternehmen zur Kasse, die vom Krieg in der Ukraine wirtschaftlich besonders profitieren. Auch in Deutschland werden Forderungen nach einem vergleichbaren Instrument immer wieder laut. Kürzlich erneuerte SPD-Co-Chefin Saskia Esken ihre Forderung nach einer Übergewinnsteuer. Doch es gibt auch Gegner, insbesondere aus den Reihen von FDP und CDU.
Ölkonzerne profitieren stark
Von der derzeit angespannten Wirtschaftslage profitieren einige Unternehmen - insbesondere die Mineralölkonzerne. Gleichzeitig ist infolge des Kriegs in der Ukraine der Finanzbedarf der öffentlichen Hand deutlich gestiegen. Die Idee ist, dass krisenbedingte Gewinnzuwächse bei den Konzernen, die über ein gewisses Maß hinausgehen, als Steuer dem Staat zufließen. Auf diesem Weg sollen am Ende auch Privathaushalte entlastet werden.
Bereits im März hat die EU-Kommission grundsätzlich grünes Licht dafür gegeben, dass die Mitgliedstaaten "befristete steuerliche Maßnahmen zu Zufallsgewinnen in Betracht ziehen und ausnahmsweise beschließen können, einen Teil dieser Gewinne für die Umverteilung an die Verbraucherinnen und Verbraucher vorzusehen". Dabei müssten "übermäßige Marktverzerrungen" vermieden werden. Juristinnen und Juristen in Deutschland haben aber Einwände gegen eine Übergewinnsteuer.
Schon Berechnung problematisch
Im Juli waren Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen im Bundesrat mit ihrer Forderung nach einer Steuer auf besonders hohe Krisengewinne gescheitert. Einen Vorschlag dazu, wie eine Übergewinnsteuer in Deutschland konkret aussehen könnte, gibt es derzeit nicht.
Was einem Unternehmen nach Abzug seiner Kosten verbleibt, ist sein Gewinn - und dieser wird besteuert. Ungeklärt ist in der Diskussion bislang, wann ein Gewinn zum "Übergewinn" würde, auf den die zusätzliche Übergewinnsteuer fällig würde. Eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages beschäftigt sich mit zwei Berechnungsmodellen: Beide knüpfen an das Unternehmenseinkommen an und stellen mit unterschiedlichen Rechengrößen Vergleichszeiträume aus Vorkrisen- und Krisenzeiten auf. So soll erkennbar werden, ob und in welchem Umfang die Gewinne gestiegen sind.
Grundgesetz fordert Steuergerechtigkeit
Aus der Sicht von Steuerrechtsexperten, darunter Till Meickmann von der Universität Passau, würde eine Übergewinnsteuer gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstoßen. Danach müssen im Wesentlichen gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden. Im steuerlichen Kontext fordere der Gleichheitssatz Steuergerechtigkeit, meint er. Die Steuerbelastung muss an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein. Bei gleicher Leistungsfähigkeit müssten Unternehmen auch gleich steuerlich belastet werden.
Würden die Gewinne von Unternehmen, die besonders von der Krise profitieren, höher besteuert als Unternehmen, die im Vergleichszeitraum aus anderen Gründen vergleichbar an Gewinn zulegen, sei Belastungsgleichheit aber nicht mehr gegeben. Diese Ungleichbehandlung müsste der Gesetzgeber besonders rechtfertigen, wenn er die Steuer trotzdem einführen wollte.
Für Ungleichbehandlung muss es gute Gründe geben
Das Bundesverfassungsgericht habe bislang drei Gründe anerkannt, die eine Steuer trotz Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, erklärt Till Meickmann: Lenkungszwecke, Vereinfachungszwecke und den Zweck, den Missbrauch steuerlicher Vorschriften zu bekämpfen. Der Zweck "Finanzierung des erhöhten staatlichen Finanzbedarfs" gehöre nicht dazu und sei deshalb keine Rechtfertigung für eine Übergewinnsteuer. Aber auch die verfassungsgerichtlich anerkannten Gründe könnten eine Übergewinnsteuer nicht rechtfertigen. Insbesondere ließen sich die Mineralölkonzerne jetzt wohl durch so eine Steuer nicht im Sinne der "Lenkungszwecke" dahin beeinflussen, auf ihre Übergewinne zu verzichten. Selbst wenn die einer erhöhten Steuerlast unterlägen.
Befürworter der Übergewinnsteuer argumentieren mit Gerechtigkeitsargumenten und praktischen Erwägungen: So hat der SPD-Co-Chef Lars Klingbeil die Steuer zum Beispiel als Möglichkeit zur Finanzierung einer Fortsetzung des 9-Euro-Tickets ins Spiel gebracht.
Übergewinnsteuer als Ergänzungsabgabe?
In der Diskussion um die Übergewinnsteuer gibt es die Überlegung, ob sie als Ergänzungsabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer eingeführt werden könnte. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2021 den Spielraum bei der Gestaltung des Einkommenssteuertarifs verengt. Diese Festsetzungen dürften nicht durch Einführung einer Ergänzungsabgabe umgangen werden, meint Meickmann. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages äußert sich dazu eher verhalten.
Bislang werde nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert, egal wo das Geld herkomme, sagt Experte Meickmann. Eine Übergewinnsteuer sei ein Bruch mit dieser Steuersystematik. Die Politik müsse sich fragen: "Möchte man diese Büchse öffnen?"