Hassrede in Sozialen Medien X verklagt Netzaktivisten
Der als Twitter bekannte Kurznachrichtendienst X wehrt sich juristisch gegen Netzaktivisten, die eine Zunahme von Hass und Falschinformationen auf der Plattform festgestellt haben. Die betroffene NGO spricht von "Eskalation".
Der Milliardär Elon Musk geht juristisch gegen eine Nichtregierungsorganisation (NGO) vor, die eine Zunahme von Hassreden auf seinem früher als Twitter bekannten sozialen Netzwerk X dokumentiert hat. In einem Schreiben an das Center for Countering Digital Hate (CCDH) behauptete ein Anwalt von X nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, Veröffentlichungen der NGO zielten offenbar darauf ab, "dem Geschäft von Twitter zu schaden, indem Werbekunden mit aufrührerischen Behauptungen von der Plattform vertrieben werden".
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hat die X Corp. in der Nacht zum Dienstag zudem Klage gegen CCDH eingereicht. X wirft der Organisation CCDH in der Klage vor, sie habe widerrechtlich auf Daten von Twitter zugegriffen. Dem Konzern sei durch die Berichte Schaden entstanden, weil Werbekunden abgesprungen seien. CCDH wird in der Klage danach auch vorgeworfen, die Organisation habe in Verletzung der Nutzungsregeln größere Mengen von Tweets abgerufen, um sie auf Falschinformationen und Hassrede zu untersuchen. Dabei habe CCDH auch unrechtmäßig auf Daten zugegriffen, die einer Analysefirma zur Verfügung gestellt worden seien.
Den Berichten zufolge stellte der Anwalt die Kompetenz der Mitarbeiter von CCDH in Frage und beschuldigte das Zentrum, dem Ruf von X schaden zu wollen. Ohne Belege anzubringen, suggeriere sein Schreiben, dass CCDH Geld von Konkurrenten von X erhalten habe. Für eine Stellungnahme war der Anwalt nicht zu erreichen.
"Nie dagewesene Eskalation"
Imran Ahmed, der Gründer und Geschäftsführer der Organisation CCDH, die es sich nach eigenen Angaben zur Aufgabe gemacht hat, "Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten im Internet zu schützen", sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, dass man noch nie eine ähnliche Antwort von einem Tech-Unternehmen erhalten habe, obwohl man sich seit Langem mit der Beziehung zwischen sozialen Netzwerken, Hassreden und Extremismus befasse. Unternehmen hätten in der Regel reagiert, indem sie ihre Arbeit verteidigt oder versprochen hätten, alle festgestellten Probleme anzugehen. Das CCDH veröffentlicht immer wieder auch kritische Berichte über TikTok, Facebook und andere große Plattformen.
Das Schreiben des Anwalts und die Klage von X seien nun "eine noch nie dagewesene Eskalation eines Social-Media-Unternehmens gegen unabhängige Forscher. Musk hat gerade den offenen Krieg erklärt", sagte Ahmed. Er fürchte, dass sich andere Wissenschaftler davon einschüchtern lassen könnten. "Wenn es Musk gelingt, uns zum Schweigen zu bringen, werden andere Forscher als nächstes dran sein", so Ahmed. Eine Anwältin von CCDH warf X zudem vor, Kritiker einschüchtern zu wollen.
Zunahme von Hass und Falschinformationen
Die Organisation mit Niederlassungen in den USA und in Großbritannien hat mehrere Berichte veröffentlicht, in denen sie Musks Haltung zur Meinungsfreiheit kritisiert. Seit dessen Twitter-Übernahme habe CCDH eine Zunahme von Hassreden gegen Angehörige sexueller Minderheiten sowie von Falschinformationen über den Klimawandel festgestellt. Musk ist ein selbsternannter Verfechter der Meinungsfreiheit und hatte versprochen, jede Äußerung zuzulassen, solange sie nicht gegen Gesetze verstoße. "Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben", denn das bedeute freie Meinungsäußerung, schrieb Musk im vergangenen Jahr in einem Tweet.
Dass nun Forschern mit Klage gedroht wird, ist nicht das erste Mal, dass Musk empfindlich auf Kritik reagiert. 2022 sperrte er die Konten mehrerer Journalisten, die über seine Twitter-Übernahme berichtet hatten. Ein weiterer Nutzer wurde gesperrt, weil er öffentlich zugängliche Flugdaten verwendet hatte, um Musks Privatflugzeug zu verfolgen.