Russische Gaslieferungen Der große Rubel-Poker hat begonnen
Russisches Gas nur gegen Rubel: Der Gaslieferstopp für Polen und Bulgarien setzt deutsche Gasimporteure unter Druck, ihre Zahlungsmodalitäten anzupassen. Die Zeit drängt.
Moskau hat mit dem Stopp der Gaslieferungen an Polen und Bulgarien ein Exempel statuiert. Die Botschaft ist klar: Länder, die sich weigern, zur Begleichung ihrer Gasrechnungen ein Konto bei der Gazprombank zu eröffnen, bekommen kein russisches Gas mehr. Experten wie der Militärökonom Marcus Matthias Keupp von der Militärakademie der ETH Zürich sehen darin eine "Drohgebärde" - einen Versuch, Länder wie Deutschland einzuschüchtern.
Bereits im Mai muss der deutsche Gasimporteur Uniper, Russlands größter ausländischer Kunde, die nächste Rechnung an Gazprom überweisen. Dabei gilt es einerseits, das Prozedere entsprechend den russischen Forderungen anzupassen, und andererseits nicht gegen die EU-Sanktionen gegen Russland zu verstoßen.
Uniper stimmt sich mit Bundesregierung ab
Doch wie genau die künftigen Zahlungsmodalitäten aussehen sollen, scheint noch immer nicht ganz klar. Medienberichten zufolge wird Uniper seine Gazprom-Zahlungen künftig in Euro auf ein Konto der Gazprombank in Russland leisten und damit eine zentrale russische Forderung erfüllen.
"Wir halten eine mit Sanktionsrecht und dem russischen Dekret konforme Zahlungsumstellung für möglich", erklärte Uniper-Sprecher Oliver Roeder auf Anfrage von tagesschau.de. "Uniper wird weiterhin in Euro zahlen." Über die konkreten Zahlungsmodalitäten sei Uniper im Gespräch mit seinem Vertragspartner und stehe außerdem in enger Abstimmung mit der deutschen Bundesregierung.
Auch OMV arbeitet an "sanktionskonformer Lösung"
Mit diesem Problem, eine Lösung finden zu müssen, die sowohl mit dem russischen Dekret als auch mit den EU-Sanktionen konform geht, steht Uniper indes nicht allein da. So will der Wiener Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV laut der "Financial Times" bei der Gazprombank in der Schweiz ein Rubelkonto zur Bezahlung der russischen Gaslieferungen eröffnen.
Auf Anfrage von tagesschau.de erklärte OMV, diese Meldung sei "definitiv falsch" und betonte stattdessen: "Wir haben die Information von Gazprom über die Zahlungsmodalitäten im Hinblick auf die EU-Sanktionen analysiert und arbeiten nun an einer sanktionskonformen Lösung."
Mit anderen Worten: Eine wirklich offiziell spruchreife Lösung für das Gas-Zahlungsproblem haben offenbar weder Uniper noch OMV bislang gefunden. Wie genau künftig die Transfers an Gazprom erfolgen sollen, bleibt weiter unklar.
Überweisung auf "Konto K" im Einklang mit Sanktionen?
Dabei scheint das Ganze nach den jüngsten Äußerungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium eigentlich gar kein großartig komplizierter Vorgang zu sein: Die Gaszahlungen deutscher Unternehmen könnten im Einklang mit den Sanktionsbestimmungen in Euro oder Dollar auf ein sogenanntes "Konto K" bei der Gazprombank erfolgen, hieß es gestern aus dem Hause von Minister Robert Habeck (Grüne).
"Der technische Zahlungsvorgang kann komplett bei Gazprom ablaufen", erläutert Jens Südekum, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums, auf Anfrage von tagesschau.de. Uniper zahle wie gewohnt in Euro und weise die Gazprombank an, diese zum aktuellen Kurs in Rubel zu tauschen und einem neuen Rubelkonto, das ebenfalls bei der Gazprombank liegt, gutzuschreiben. "Damit kriegen alle Seiten, was sie wollen. Uniper zahlt wie bisher in Euro, aber Gazprom - also Putin - kann behaupten, er erhalte Rubel."
Juristische Haarspalterei?
Das sieht auf den ersten Blick nach einer praktikablen Lösung aus, die es beiden Seiten ermöglicht, das Gesicht zu wahren. Doch ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt die EU: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mehrfach gedroht, dass europäische Gasunternehmen, die allzu leichtfertig die neuen Zahlungsmodalitäten implementieren, ein rechtliches Risiko eingehen: "In Rubel zu bezahlen, stellt einen Bruch unserer Sanktionen dar."
Das ist der Punkt, an dem es juristisch womöglich kompliziert wird. Wann genau erfüllen die EU-Gasimporteure ihre Zahlungsverpflichtungen: Wenn sie ihre Rechnungen in Euro an die Gazprombank überweisen? Oder erst dann, wenn die Gazprombank die Euro in Rubel umgetauscht und auf das Konto von Gazprom überwiesen hat?
Russische Zentralbank beteiligt?
"Diese juristische Frage wird entscheidend sein", unterstreicht auch Ökonom Südekum gegenüber tagesschau.de. "Nach meinem Verständnis ist eine Erfüllung unserer vertraglichen Verpflichtungen mit der Zahlung in Euro eingetreten, der spätere Umtausch in Rubel ist quasi irrelevant."
Eine weitere große Unbekannte in diesem Spiel ist die russische Zentralbank: Sollte die Notenbank am Umtausch von Euro in Rubel beteiligt werden, könnten Zahlungsvorgänge möglicherweise als "Kredite der Unternehmen an sie gedeutet werden", heißt es in einer EU-Leitlinie. Das würde einen Verstoß gegen EU-Sanktionen darstellen.
Deutschland ist wichtigster Kunde für Russland
Unter dem Strich sieht es somit zur Zeit so aus, als ob die großen deutschen und österreichischen Energieunternehmen durchaus gewillt sind, die russischen Forderungen zu erfüllen. Ein russischer Gaslieferstopp scheint vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich - nicht zuletzt, weil Deutschland für Russland der mit Abstand wichtigste Energiekunde ist. Seit Kriegsbeginn hat die Bundesrepublik laut einer Studie des finnischen "Centre for Research on Energy and Clean Air" Russland rund 9,1 Milliarden Euro für fossile Energieträger bezahlt.
Doch die EU-Kommission ist neben Russland womöglich ein weiterer Unsicherheitsfaktor, wenn es um die Zukunft der russischen Gaslieferungen nach Deutschland und in andere EU-Länder geht: Wird Brüssel die neuen Zahlungsprozedere der europäischen Gasversorger gutheißen, oder wird die Kommission diese als nicht sanktionskonform einstufen?
Dabei vermuten nicht wenige Beobachter hinter der komplizierten Rubel-Diskussion eine Art Stellvertreter-Debatte: "Die Diskussion über die Zahlungsmodalitäten vernebelt die eigentlich wichtige Diskussion und Entscheidung darüber, ob Europa weiterhin von Russland Gas beziehen sollte", ist jedenfalls Commerzbank-Devisen-Experte Ulrich Leuchtmann überzeugt.