Ausbaupläne der USA Schub für die Offshore-Windenergie
Die Stromerzeugung auf dem Meer wird immer wichtiger. Nicht nur Energieversorger, auch Ölkonzerne mischen in dem Milliardenmarkt mit. Große Hoffnungen der Branche ruhen auf den Vereinigten Staaten.
Von Notker Blechner, tagesschau.de
US-Präsident Joe Biden lässt die Erneuerbare-Energien-Branche auf bessere Geschäfte hoffen. Mit seinem Zwei-Billionen-Dollar-Plan für den Ausbau der Infrastruktur in den USA dürfte er den Markt kräftig antreiben. Allein zwölf Milliarden Dollar sollen in den Ausbau der Offshore-Windenergie fließen. Bis 2030 sollen zehn Millionen Haushalte mit Ökostrom aus riesigen Parks an der Ost- und Westküste versorgt werden.
"Die USA bekommen jetzt zusätzlichen Schwung", so Siemens-Gamesa-Chef Andreas Nauen. Schon 2020 sammelte der Windanlagenbauer fast ein Fünftel seiner neuen Aufträge in den Vereinigten Staaten ein.
Pläne von BP und Equinor
Erst vor kurzem kam eine große Bestellung aus Virginia. Siemens Gamesa liefert die Turbinen für den größten Offshore-Windpark in den USA. Er soll bis 2026 gut 600.000 Haushalte mit Strom versorgen.
Große Pläne haben auch BP und der norwegische Energiekonzern Equinor. Sie bauen gemeinsam riesige Windfarmen vor der Küste von New York und Massachusetts. Bis 2030 sollen diese gut 50 Gigawatt Leistung bringen - das wäre mehr als die derzeitige gesamte Kapazität der britischen Windkraftanlagen zusammen.
Bisher gilt Großbritannien als größter Offshore-Windmarkt weltweit. Das Vereinigte Königreich will bis 2030 etwa ein Drittel seines Stroms mit Wind aus der Nordsee decken. Vor kurzem erhielten RWE und EnBW Zuschläge für jeweils zwei Offshore-Windprojekte.
"Green Deal" in Europa
Und auch in der EU tut sich einiges. Brüssel hat den eine Billion Euro umfassenden "Green Deal" beschlossen. Ein Schwerpunkt dabei ist der Ausbau der Windenergie vor den Meeresküsten. Bis 2030 soll sich die Kapazität der Offshore-Windfarmen in Europa auf 60 Gigawatt verfünffachen. Bisher liegt sie bei zwölf Gigawatt. Bis 2050 sollen sogar Farmen mit einer Leistung von 300 Gigawatt installiert sein. Außerdem sollen 40 Gigawatt aus Wellen- und Gezeitenkraftanlagen sowie schwimmenden Wind- und Solaranlagen kommen.
Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) könnte die Offshore-Windkraft binnen 20 Jahren zum wichtigsten Stromlieferanten in Europa werden. Ihr Anteile dürfte von heute zwei Prozent auf rund 25 Prozent steigen, prognostiziert die IEA.
Optimistische Prognosen
Weltweit sehen Experten ein enormes Wachstumspotenzial. "Der globale Offshore-Windmarkt wird sich in diesem Jahrzehnt versechsfachen", prophezeit Henrik Poulsen, Chef von Orsted, dem inzwischen weltgrößten Betreiber von Offshore-Windparks. Rund ein Viertel aller Windräder auf den Meeren stellt der dänische Konzern her.
Orsted war einst im Öl- und Gasgeschäft tätig und hieß Dong. Das dänische Unternehmen spielte im Wettbewerb mit "Big Oil" nur eine kleine Rolle. Vor vier Jahren verkaufte Dong sein Geschäft mit fossilen Energieträgern und konzentrierte sich ganz auf erneuerbare Energien.
"Pandemie könnte die Wende beschleunigen"
Ähnlich wie Orsted streben nun auch andere Ölkonzerne verstärkt ins Geschäft mit Offshore-Windkraft, weil sie mit dem baldigen Ende des Ölbooms rechnen. "Die Corona-Pandemie könnte die Wende von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien beschleunigen", heißt es im BP Energy Outlook. BP und Shell haben Milliardeninvestitionen in Wind- und Solarenergie angekündigt. Bis 2030 will BP 50 Gigawatt grünen Strom produzieren. Ein Schwerpunkt soll der Offshore-Wind sein.
Auch der französische Total-Konzern hat ehrgeizige Pläne. Jährlich wollen die Franzosen drei Milliarden Dollar in das Ökostrom-Geschäft investieren. Bis 2025 beabsichtigt der Konzern bereits eine Erzeugungskapazität von über 35 Gigawatt bei erneuerbaren Energien. Total setzt auf Offshore-Windenergie im Mittelmeer und in Asien. Vor wenigen Wochen hat der Ölkonzern zusammen mit der australischen Bank Macquarie Pläne für den Bau schwimmender Windräder vor der Küste Südkoreas präsentiert.
Mehr Wettbewerb für RWE, Siemens und Vestas
Die Expansion von "Big Oil" in den erneuerbaren Energien könnte den Wettbewerb im Offshore-Markt neu anheizen. Bisher beherrschen neben Orsted die Unternehmen Siemens Gamesa, RWE und Vestas den Markt. RWE will bis Ende 2022 rund fünf Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren und über 13 Gigawatt an Ökostrom-Anlagen im Portfolio haben.
Der Preiskampf und der Kostendruck dürften zunehmen. Jährlich sinken die Kosten für Offshore-Windanlagen um knapp sechs Prozent. In den kommenden Jahren werden die ersten Windparks an Netz gehen, deren Betreiber keine Subventionen mehr in Anspruch nehmen wollen.
Wind 2020 erstmals vor Kohlekraft
In Deutschland herrschte zuletzt allerdings eher Flaute beim Ausbau. Im gesamten vergangenen Jahr gingen lediglich 32 Offshore-Anlagen mit einer Leistung von 219 MW ans Netz. Dennoch stieg der Anteil der Windenergie am deutschen Strommix. Coronabedingt sank der Strombedarf, der stärker aus den erneuerbaren Energien gedeckt wurde. Erstmals war damit die Windenergie - mit Onshore-Anlagen an Land und solchen auf See - die wichtigste heimische Stromquelle; Windräder produzierten mehr Energie als Kohlekraftwerke. Derzeit läuft die Ausschreibung für Windparks auf drei Flächen vor den deutschen Küsten, die 2026 fertiggestellt sein sollen.
Vertreter der Branche, die am Mittwoch bei der Hamburger Offshore Wind Conference auf einer digitalen Veranstaltung über die Perspektiven der kommenden Jahre diskutiert, fordern von der Politik klare Rahmenbedingungen für einen weiteren Ausbau von Offshore-Parks vor den Küsten von Ost- und Nordsee. "Wir brauchen ein ganz klares politisches Signal, um die Ausbauziele zu erreichen", sagt Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windparkbetreiber Offshore. Bis 2030 sollen nach den Plänen der Bundesregierung die deutschen Offshore-Windanlagen 20 Gigawatt Strom liefern. Bisher sind es nur 7,8 Gigawatt.