Einschränkung geteilter Konten Neue Passwort-Politik bringt Netflix viele Kunden
Der Kampf gegen geteilte Konten bei Netflix trägt Früchte: Der Streamingdienst hat in den vergangenen Monaten fast sechs Millionen Kunden hinzugewonnen. In der Bilanz spiegelt sich das aber nicht wider.
Netflix hat im zweiten Quartal 5,9 Millionen Kunden hinzugewonnen - drei Mal so viele wie erwartet. Damit geht die Rechnung des Videostreaming-Riesen beim Vorgehen gegen das Teilen von Passwörtern außerhalb eines Haushalts bisher auf. Zwar machte das Unternehmen keine Angaben dazu, wie viele von ihnen zuvor Account-Trittbrettfahrer waren, die sich nun ein eigenes Konto zulegten. Doch verzeichne man in jeder Region mehr Abo-Kunden und Umsatz als zuvor, sagte Co-Chef Greg Peters. "Wir sehen, dass es funktioniert."
Zusätzliche Kosten oder neues Konto bei Teilen von Passwörtern
Seit Anfang des Sommers geht Netflix unter anderem in Deutschland dagegen vor, dass Nutzer einen Account über einen Haushalt hinaus teilen. Dafür wird nun zusätzliches Geld fällig - entweder zahlen die Mitbenutzer für ein eigenes Konto, oder der bisherige Account-Inhaber fügt sie für 4,99 Euro im Monat als Zusatzmitglied hinzu. Soviel kostet in Deutschland auch das günstigste Abo mit Werbeanzeigen.
Nach früheren Berechnungen von Netflix nutzten rund 100 Millionen das Passwort aus einem anderen Haushalt. Die Firma setzt darauf, dass betroffene Nutzer lieber zahlen, statt den Dienst zu kündigen. Netflix hatte nun zum Quartalsende insgesamt 238,4 Millionen zahlende Kunden.
Für das laufende Vierteljahr rechnet der Konzern mit einem Zuwachs bei der Nutzerzahl in ähnlicher Größenordnung. Bei einigen betroffenen Nutzern könne es mehrere Quartale dauern, sie als Kunden zu gewinnen, räumte Peters ein.
Trotz Kundenzustrom zurückhaltender Ausblick
Der überraschend hohe Kundenzustrom spiegelt sich jedoch nicht wie erhofft in der Bilanz wider. Der Streaming-Dienst gab einen Quartalsumsatz unter Markterwartungen bekannt. Der Ausblick auf das laufende Vierteljahr enttäuschte ebenfalls. "Wir haben zwar stetige Fortschritte gemacht, aber vor uns liegt noch mehr Arbeit, um unser Wachstum zu beschleunigen", teilte das Unternehmen mit.
Der Umsatz stieg den Angaben zufolge im abgelaufenen Quartal um 2,7 Prozent auf 8,2 Milliarden Dollar. Analysten hatten allerdings auf 8,3 Milliarden Dollar gehofft. Der Gewinn überraschte dagegen mit 1,5 Milliarden Dollar positiv. Für das laufende Quartal stellte Netflix Erlöse von 8,5 Milliarden Dollar in Aussicht, 200 Millionen Dollar weniger als von Experten prognostiziert.
Die Aktie fiel daraufhin im nachbörslichen Geschäft um drei Prozent, zeitweise sogar um gut acht Prozent. Zuvor war der Kurs des Papiers seit Jahresbeginn um mehr als 60 Prozent gestiegen.
Harter Wettbewerb im Streaming-Geschäft
Im Videostreaming-Geschäft herrscht ein scharfer Konkurrenzkampf um Nutzer, insbesondere nachdem immer mehr Player mit eigenen Diensten in den Markt drängten: Studios wie Disney, Warner und Paramount, Tech-Riesen wie Amazon und Apple. Netflix gehört zu den Anbietern, die weniger ausgabefreudige Nutzer mit einem günstigeren Angebot mit Werbeanzeigen gewinnen wollen. Und dieser Ansatz scheint zu funktionieren.
Denn bei Netflix habe sich die Zahl der Nutzer des Tarifs binnen drei Monaten fast verdoppelt - wenn auch von einem niedrigeren Niveau aus, hieß es. Pro Nutzer mache Netflix dank der Anzeigeneinnahmen bereits weltweit mehr Umsatz im Anzeigen-Abo als in der werbefreien Basis-Version. In den USA hätten die Erlöse pro Nutzer im dort 6,99 Dollar teuren Werbemodell sogar das Standard-Abo für 15,49 Dollar überholt.
Beim Streaming-Dienst Disney+ entschieden sich zuletzt 40 Prozent der Neukunden für die günstigere Version mit Werbung, wie jüngst Konzernchef Robert Iger sagte. Netflix will nun für Werbekunden so attraktiv wie möglich werden. Unter anderem können sie Anzeigenplatz auf Wunsch ausschließlich in den zehn populärsten Filmen und Serien buchen - was ein breites Publikum garantiert.
Branche leidet unter Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler
Derweil leidet Netflix wie die gesamte Film- und Fernsehbranche unter dem Doppelstreik der US-Schauspieler und -Drehbuchautoren in Hollywood. Dieser hat zahlreiche Produktionen zum Erliegen gebracht. Deshalb wird Netflix im laufenden Quartal zunächst einmal mehr freies Geld ausgeben. So geht es auch anderen Streaming-Diensten und TV-Sendern in Amerika.
Doch der Streik bedeutet auch eine Lücke beim Nachschub von Filmen und Fernsehserien. Wenn der Ausstand in den September hinein andauere, "wird das ein echtes Problem", sagte Branchenanalyst Michael Nathanson im Wirtschaftssender CNBC.
Die Industrie bereitet sich darauf vor. So will etwa Paramount die Lücken im Programm seines Sendern CBS mit Folgen der Serie "Yellowstone" stopfen, die eigentlich ein Zugpferd der hauseigenen Netflix-Konkurrenz Paramount+ ist. Netflix mit einer großen Bibliothek an Filmen und Serien sowie über die Welt verteilten Produktionsstudios wird in einer besseren Position als einige Rivalen gesehen.