Abgasskandal vor OLG Stuttgart Musterklage gegen Mercedes-Benz
Es ist die zweite Musterfeststellungsklage im Zusammenhang mit dem Dieselskandal. Im Fall von Mercedes-Benz geht es allerdings um wesentlich weniger Betroffene als im Fall von VW.
Das Kraftfahrt-Bundesamt ist sich sicher: Nicht nur VW, auch Mercedes-Benz hat bei der Abgasreinigung die Regeln nicht eingehalten. 2018 und 2019 musste der Konzern insgesamt Hunderttausende Diesel-Fahrzeuge zurückrufen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen.
Auf die zugrunde liegenden Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamts stützt der Bundesverband der Verbraucherzentralen nun eine Musterfeststellungsklage gegen den Konzern. Heute beginnt der Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Wann ein Urteil kommt, ist noch unklar.
Von der Musterklage umfasst sind Fahrzeug-Modelle der GLC- und GLK-Reihe, in denen der Motor OM651 eingebaut wurde und die von einem verpflichtenden Rückruf betroffen waren. Nach Angaben der Verbraucherzentrale konnten sich damit nahezu 50.000 Mercedes-Kunden bis Montag der Klage anschließen. Tatsächlich hatten sich gut 2800 Verbraucher im Klageregister eintragen lassen. Inwieweit sie die Voraussetzungen erfüllen - also, ob sie etwa tatsächlich eins der betroffenen Autos gekauft haben - wird dabei allerdings noch nicht geprüft.
Anspruch auf Schadensersatz wegen Abschalteinrichtung?
Die Verbraucherzentrale wirft Mercedes vor, dass die Abgasreinigung nur bei Tests im Labor korrekt gelaufen sei, um die Grenzwerte für den Ausstoß von Schadstoffen einzuhalten. Im Normalbetrieb auf der Straße sei die Abgasreinigung dagegen abgeschaltet und die Grenzwerte seien überschritten worden. Es geht dabei um unterschiedliche Abschalteinrichtungen, zum Beispiel die Kühlmittelsollwert-Temperatur-Regelung und die Ausgestaltung des Online- und Füllstands-Modus bei der AdBlue-Dosierung.
Aus Sicht der Verbraucherzentrale hat der Autobauer beim Einbau dieser Abschalteinrichtungen sittenwidrig und vorsätzlich gehandelt. Betroffene Kunden hätten deshalb einen Anspruch auf Schadensersatz. Mercedes hält die geltend gemachten Ansprüche für "unbegründet". Auch gegen die Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamts geht der Konzern gerichtlich vor.
Hinweise des Gerichts
Anfang März hatte das Oberlandesgericht schriftlich erste Hinweise gegeben, wie es die Sache vorläufig einschätzt. Danach geht es davon aus, dass jedenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt worden sein könnte. Für weitere Feststellungen könnte eine Beweisaufnahme nötig werden. Das Gericht geht demnach außerdem davon aus, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Vorstand des Autobauers Bescheid wusste.
Allerdings könnte die Kenntnis des Leiters der Motorenentwicklung zu einer Haftung des Autobauers führen - allerdings wohl nur für Fahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6. Mit Blick auf Euro-5-Fahrzeuge legt das Gericht dem Bundesverband der Verbraucherzentralen nahe, die Klage zurückzunehmen.
Thermofenster kein Thema bei Musterklage
Anders als in vielen Individualklagen geht es in dem Musterprozess nicht um sogenannte Thermofenster - eine Abschaltung der Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen. Denn der Bundesgerichtshof hatte bereits angedeutet, dass darauf wohl keine Ansprüche auf Schadensersatz gegen Mercedes gestützt werden können. Vor den Gerichten liegen trotzdem zahlreiche Einzelklagen gegen Mercedes, die sich auch auf den Einbau von Thermofenstern stützen.
Verband klagt für Verbraucher
Mit der Musterfeststellungsklage sollen strittige Fragen in einem Musterprozess grundsätzlich geklärt werden können. Betroffene können sich dafür im Klageregister beim Bundesamt für Justiz anmelden. Wer mitmacht, hat keine Kosten. Das Prozesskostenrisiko trägt die Verbraucherzentrale. Allerdings ist der Musterprozess nur der erste Schritt. Sollte die Klage Erfolg haben, können Muster-Kläger später in einem zweiten Schritt Schadensersatz von Mercedes einfordern.
Betroffene Verbraucher konnten sich der Klage bis gestern anschließen. Wer es sich nach der mündlichen Verhandlung am Dienstag doch noch einmal anders überlegt, kann sich bis zum Ende des Tages auch wieder abmelden. Die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen hatte Anfang 2020 mit einem Vergleich geendet, den rund 245.000 Kunden akzeptiert hatten.
Nach gut vier Stunden Verhandlung, bei der zunächst viel über Formalitäten und Formulierungen diskutiert wurde, schlug das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart einen Fortsetzungstermin vor. Demnach soll die Verhandlung im kommenden Jahr am 24. Januar weitergehen.