Esprit-Filiale in Berlin.
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Esprit, Galeria, P&C und Co. Der klassische Modeladen - ein Auslaufmodell?

Stand: 25.08.2024 08:55 Uhr

Die Schließung sämtlicher Esprit-Filialen in Deutschland bis Ende des Jahres zeigt: Der Mode-Einzelhandel steckt in einer tiefen Krise. Doch nicht alle Marken trifft es gleich stark. Woran liegt das?

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Galeria Karstadt Kaufhof, Gerry Weber, Peek & Cloppenburg (P&C) oder Esprit: Immer mehr Warenhäuser und Modeketten geraten in Schieflage und müssen viele ihrer stationäre Geschäfte schließen. Die Zahl der Galeria-Filialen soll in Deutschland im Zuge des Neustarts nach der Insolvenz bis Anfang September von 92 auf 83 schrumpfen. Vor vier Jahren waren es noch 171. Esprit kündigte kürzlich gar an, bis zum Jahresende alle 56 Filialen hierzulande dichtzumachen. Damit verschwindet der insolvente Modekonzern aus den Fußgängerzonen - und mit ihm bald noch weitere?

Deutsche sparen insbesondere bei Kleidung

Schon seit der Corona-Pandemie, in der die private Nachfrage einbrach und Geschäfte zwischenzeitlich schließen mussten, steht die Modebranche vor zahlreichen Herausforderungen. So hat sich der Konsum in Deutschland noch immer nicht vollständig erholt - auch wegen der hohen Preissteigerungen infolge des Ukraine-Kriegs. Trotz der Fußball-EM steht das GfK-Barometer für Konsumklima bei minus 18,4 Punkten. Zum Vergleich: Vor der Corona-Krise lag es noch bei plus zehn Punkten. Zwar hat sich die Inflation inzwischen deutlich abgeschwächt, doch viele Deutsche halten sich beim Einkaufen weiterhin zurück - nach einer Umfrage des Preisvergleichsportals Idealo vor allem bei Kleidung und Accessoires (52 Prozent).

"In der Modebranche gibt es schon lange einen großen Wettbewerb mit einem Überangebot", antwortet Hansjürgen Heinick vom Institut für Handelsforschung (IFH KÖLN) auf die Frage nach weiteren Gründen. Gerade Ketten wie H&M und Zara mit ihren vertikalen Geschäftsmodellen - bei denen die Mode in einer Hand produziert, vertrieben und vermarktet wird - sowie der Online-Handel hätten den klassischen Einzelhandel, der verschiedene Herstellermarken nebeneinander in stationären Läden verkauft, unter Druck gesetzt. Einerseits erwarten Kundinnen und Kunden Heinick zufolge ein großes Sortiment, andererseits können sie auch schnell die Orientierung verlieren.

"Deshalb ist es für Fashionhändler wichtig, sich klar zu positionieren und in stilistischer Hinsicht Akzente zu setzen", sagt der Experte gegenüber tagesschau.de. Gleichzeitig dürfe das Angebot auch nicht zu klein sein. In einer Großstadt könne eine Nische bedient werden, in kleineren Orten gebe es dafür aber zu wenig Menschen. "Wichtig ist daher auch eine gewisse Emotionalisierung und die Kommunikation inklusive der Werbung muss den modernen Ansprüchen angemessen sein." Gerade in Zeiten von wachsendem Online-Wettbewerb durch asiatische Anbieter wie Shein und Temu müsse man als Anbieter wahrgenommen werden.

Positionierung der Marke ist entscheidend

Darüber hinaus kämpfen Modeketten mit hohen Energie- und Personalkosten. Im konkreten Fall von Esprit betonen Fachleute zudem strategische Fehler: So war der deutsche Markt für das Unternehmen der wichtigste, die Entscheidungen wurden aber in der Konzernzentrale in Hongkong getroffen. Außerdem habe es in den vergangenen Jahren viele Wechsel im Vorstand gegeben, erklärt Martin Fassnacht, Professor für Strategie und Marketing an der WHU in Düsseldorf, im Gespräch mit tagesschau.de. "Das tut einem Unternehmen nie gut. Wenn es zu viele Umbrüche gibt, ist die Richtung nicht klar - weder nach innen noch nach außen."

Früher sei Esprit mal eine Kultmarke gewesen, diesen Status habe die Modekette mittlerweile verloren. "Modeunternehmen müssen immer ihre Zielgruppen im Blick behalten und über Kommunikation und Social Media passende Assoziationen aufbauen", meint der Experte. Denn die Zahl der Marken, mit denen Konsumentinnen und Konsumenten regelmäßig in Beziehung stehen, sinke. "Wenn Sie da nicht oben auf der Liste auftauchen, aus Sicht Ihrer Zielgruppe nicht cool oder modern sind und nicht klar für etwas stehen, fallen Sie schnell hinten runter." Etwa Abercrombie & Fitch und Boss hätten sich zuletzt neu positioniert und es im Gegensatz zu Esprit gut hinbekommen.

Auch für Carsten Kortum, Studiengangsleiter Handel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), war das Hauptproblem beim Konzern die Positionierung der Marke: "Mode muss spezifisch auf Zielgruppen zugeschnitten sein." Ein gutes Beispiel dafür sei NewYorker, deren Zielgruppe von 16- bis Mitte 20-Jährigen optimal getroffen werde. Ein Händler, der dagegen alle Altersgruppen bedienen will, tue sich tendenziell schwerer. "Die Leute wissen gar nicht mehr, wofür Esprit steht." Daneben sei das mittlere Preissegment im Handel stets schwierig. "Man hebt sich zwar nach unten von Markenkleidung ab, wird aber von H&M oder Primark klar unterboten", so Kortum.

Offline- und Online-Handel verzahnen

"Die mittlere Preisklasse steht besonders stark unter Druck", betont auch Heinick. Eine Marke müsse eine Anziehungskraft bieten, die ausreicht, um den im Vergleich höheren Preis bezahlen zu wollen. "Das sind eben noch keine teuren Luxusprodukte, bei dem man sagen kann: 'Guck mal, was ich für ein tolles Teil habe!'" !" Entsprechend höher auch die Herausforderung sich am Markt abzuheben. Zudem gebe es in unteren Segmenten viele Anbieter, die sehr modisch seien und dennoch eine gewisse Qualität hätten. "Die asiatischen Anbieter sind dann nochmal modischer und das zu einem unschlagbaren Preis - unabhängig von Qualität und Nachhaltigkeit."

Unter anderem durch große Online-Marktplätze wie Zalando sei darüber hinaus der Online-Handel immer beliebter geworden, so Heinick. Zwar habe das Wachstum nach der Corona-Krise etwas stagniert und der Kostenvorteil beispielsweise durch Retourenzahlungen abgenommen. Doch von einer Renaissance des stationären Handels könne trotzdem keine Rede sein, sagt der Fashion-Fachmann vom IFH KÖLN. Im Bereich Fashion & Accessoires betrug der Online-Anteil danach im vergangenen Jahr über 40 Prozent. In keiner anderen Branche kaufen Verbraucherinnen und Verbraucher so viel über das Internet.

"Wir kaufen grundsätzlich immer mehr online ein", sagt auch Fassnacht. Es sei bequemer, und die Auswahl sei im Zweifel höher. Um mitzuhalten, müsse der stationäre Einzelhandel eine gewisse Shopping-Experience bringen." Zudem glaube der WHO-Professor stark an sogenannte Local Heroes wie Breuninger, Engelhorn oder Lengermann & Trieschmann (L&T), also lokale Einzelhändler, die ihre ihre Partner vor Ort in den Online-Handel einbinden. "Die Firmen müssen offline und online verzahnen." Filialen und Online-Handel sollten auch aus Sicht von Kortum nicht getrennt geführt werden. "Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen in beiden Kanälen einkaufen, sich beraten lassen und retournieren können."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. August 2024 um 11:00 Uhr.