Auslaufmodell oder Zukunftskonzept? Andere Länder, andere Kaufhäuser
Über das Modell des Kaufhauses wird nicht nur in Deutschland debattiert. Selbst weltberühmte, traditionsreiche Häuser in den großen Metropolen müssen sich immer wieder neu erfinden.
Paris: Glanz und Glamour haben feine Risse
"Ohlala!" staunt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Juni 2021, als er das für 750 Millionen Euro renovierte Kaufhaus La Samaritaine am Ufer der Seine eröffnet. 16.000 Goldblätter schmücken dort Gustave Eiffels Eisentreppe. Auf ihr stehen viele der 1700 Angestellten und applaudieren Macron und ihrem Chef Bernard Arnault, milliardenschwerer Chef der Luxusmarke Louis Vuitton. Die Deko im Kaufhaus erinnert an Pariser Laternen, Metrostationen und Bouquinisten-Stände: Der Einkauf sei wie ein Spaziergang durch die Stadt.
1852 öffnet mit Le Bon Marché das erste Kaufhaus in Paris. Seitdem hätten sich die "Dinosaurier des Handels immer wieder ihrer Umwelt angepasst", sagt Galeries-Lafayette-Präsident Philippe Houzé. Schlicht, um zu überleben. Denn Kaufhäuser verlieren mit der Entwicklung der Supermärkte in den 1970er-Jahren auch in Frankreich an Umsatz; später dann durch den Online-Handel. Jüngster Schlag ins Kontor: Corona mit monatelangen Schließungen, Impfkontrollen am Eingang, wegbleibenden Touristen. Die hatten in den Pariser Häusern meist die Hälfte des Umsatzes ausgemacht.
La Samaritaine am Pariser Seine-Ufer wurde im Sommer 2021 nach aufwändigem Umbau neu eröffnet.
Die Folge: Galeries Lafayette verkauft weitere sieben regionale Häuser etwa in Dijon oder Reims. Neu-Inhaber SGM will daraus Einkaufstempel mit Eventcharakter machen. Das Stammhaus Boulevard Haussmann mit seiner über 40 Meter hohen Kuppel rühmt sich zwar, fast so viele Touristen anzulocken wie der Eiffelturm. Aber es muss sich auch ständig neu erfinden: Man setzt nicht mehr nur auf Luxus und ausländische Kundschaft, sondern nun mehr auf das heimische Publikum - mit Wellness-Etage, Reparaturservice oder gar Second Hand.
Die "Galeries Lafayette der Armen" aber, das legendäre Pariser Billig-Kaufhaus Tati, einst von 40.000 Menschen täglich gestürmt, musste vergangenen Herbst schließen. Die fünf verbleibenden großen Pariser Häuser haben neue Probleme: teure Energiepreise, mehr Home Office und weniger Parkplätze in der Stadt. Ende 2023 soll trotzdem Vor-Corona-Umsatz erreicht werden. Doch selbst in der Hauptstadt bleibt dies fraglich.
New York: Ein Hoffnungsschimmer für Macy's
Als Besucherinnen aus Deutschland letztens durch das New Yorker Kaufhaus Macy’s gingen, fiel ihnen sofort auf: Glamour gibt es hier bei den günstigen Marken genauso wie bei den Luxusnamen. Beides dicht nebeneinander auf den Verkaufsflächen des Flagship-Stores am Herald Square. Und selbst in Zeiten der Inflation ist hier oft: "Sale, Sale, Sale". Macy's schafft kräftige Preisnachlässe, um die Warenschwemme abzuarbeiten und Einzelhändler zu unterbieten. Mit dem Bonus-Programm "Star Rewards" ergattert sich die Stammkundschaft fette Prozentnachlässe und Gutscheine.
Und das kann sich die größte Kaufhauskette der USA leisten: Im vergangenen Quartal erzielte Macy's einen Umsatz von 5,6 Milliarden Dollar und einen Nettogewinn von 275 Millionen Dollar. Knapp 90.000 Menschen arbeiten für Macy’s - die Zentrale in Manhattan ist das größte Kaufhaus in den USA und eines der größten weltweit. Die berühmte, aufwendige Weihnachtsdeko im Laden und in den Schaufenstern zieht im Dezember viele New Yorker wie Touristen an.
Doch allgemein wird es in dem Konsumtempel immer leerer. Die Kundschaft shoppt lieber online. Deswegen hat Macy’s umstrukturiert: Ein Fünftel seiner einst über 500 Filialen machen über einen Zeitraum von drei Jahren nach und nach dicht. Um Kunden neue Konzepte jenseits großer Kaufhäuser anzubieten, hat Macy’s 2020 die erste Filiale von "Market by Macy’s" in Dallas eröffnet. Das sind kleinere Geschäfte, die Kunden ein ausgewähltes Sortiment der neuesten Modetrends bieten.
Jedes Jahr veranstaltet Macy's eine große Parade zu Thanksgiving.
In diesem Jahr machte Macy’s mehr Gewinn als erwartet. Das lag vor allem daran, dass wieder mehr Menschen zurück ins Büro kamen und dafür ihre Garderobe aufgefrischt haben. Fürs Weihnachtsgeschäft will Macy’s sogar rund 41.000 Voll- und Teilzeitkräfte einstellen. Vorher gibt es aber noch einen Großevent, mit dem alle US-Bürger das Traditionshaus in Verbindung bringen: Die "Macy’s Thanksgiving Day Parade" gehört - live oder im Fernsehen - für Millionen Amerikaner zum festen Bestandteil ihres höchsten Feiertags.
Prag: Spektakuläre Architektur mit harter Konkurrenz
In Tschechien sind traditionelle Kaufhäuser oft eher architektonische Sehenswürdigkeiten als funktionierende Konzepte. Berühmtestes Beispiel ist das "Kotva" - übersetzt: der "Anker" - im Zentrum von Prag: ein mehrstöckiger Betonkomplex aus verschachteteln Sechsecken. Bei seiner Eröffnung 1975 war es das größte Warenhaus der Tschechoslowakei, ein Hauch von Luxus hinter dem Eisernen Vorhang.
Nach der Samtenen Revolution wurde das Kotva privatisiert und immer wieder verkauft, heute gehört das Kaufhaus einem internationalen Immobilienfonds - den Tschechinnen und Tschechen stand der Sinn eher nach Waren aus dem Ausland. Teile des Kotva standen leer und wurden für den Einzelhandel geöffnet.
Vor drei Jahren ist das Gebäude in brutalistischem Stil zum Kulturdenkmal erklärt worden. Ähnlich wie das funktionalistische "Bila Labut" - auf Deutsch: "Weißer Schwan" - ganz in der Nähe: Es war in den 1930ern das größte Warenhaus in Ostmitteleuropa. Es gehört einem tschechischen Investor, wurde gerade aufwendig saniert - und ist doch längst nicht so beliebt wie die modernen Shopping-Malls überall an den Stadträndern Prags oder auch mitten im historischen Zentrum - zum Beispiel genau gegenüber des Kaufhauses Kotva.