VW-Krise Lohnverzicht statt Werkschließungen?
Bei Volkswagen sind IG Metall und Betriebsrat auch zu Gehaltsverzicht bereit, um die Kosten zu senken und so Werksschließungen und Entlassungen zu verhindern. Dadurch könnten die Arbeitskosten um rund 1,5 Milliarden Euro gesenkt werden.
IG Metall und Betriebsrat wollen bei Volkswagen die Kosten auch durch Gehaltsverzicht senken, um Werksschließungen und Entlassungen zu verhindern. Das sieht ein eigenes Zukunftskonzept vor, das die Arbeitnehmervertreter am Tag vor der nächsten Tarifrunde vorstellten.
Das Gesamtkonzept ermögliche eine Entlastung bei den Arbeitskosten um rund 1,5 Milliarden Euro, sagte IG-Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Thorsten Gröger. "1,5 Milliarden Euro, die wir auf den Verhandlungstisch legen." Im Gegenzug verlangen die Arbeitnehmervertreter Garantien für Standorte und Beschäftigung.
Wird die nächste Tariferhöhung nicht ausgezahlt?
Konkret angeboten wird, die nächste Tariferhöhung befristet als Arbeitszeit in einen Zukunftsfonds einzubringen und vorerst nicht auszuzahlen. Das ermögliche flexible Arbeitszeitkürzungen ohne Personalabbau. Maßstab solle dabei der jüngste Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie sein, der eine Erhöhung um insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen bis 2026 vorsieht.
Außerdem müsse die von VW im September gekündigte Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bisher ausschließt, wieder in Kraft gesetzt werden - sowohl für die sechs westdeutschen Werke mit 125.000 Mitarbeitern in Niedersachsen und Hessen als auch für die drei Standorte in Sachsen.
Karte: Deutschland mit VW-Werk-Standorten und Beschäftigtenzahlen.
IG Metall droht mit massiven Arbeitskämpfen
Bei einem Festhalten an Werksschließungen droht die IG Metall mit erbitterter Gegenwehr. "Sollte der Vorstand auf Maximalpositionen und Werksschließungen beharren, übernimmt er die Verantwortung dafür, dass wir in einen Arbeitskampf um Standorte laufen, wie ihn die Republik noch nicht erlebt hat", sagte Gröger. Die Friedenspflicht in dem Tarifkonflikt endet Ende November, Streiks sind ab dem 1. Dezember möglich.
Seit Bekanntwerden der Sparpläne Anfang September hatten Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Gröger den Konzern mehrfach aufgefordert, eine konkrete Gesamtkonzeption für die Zukunft aller Standorte vorzulegen. "Weil nachhaltige Lösungen her müssen, gehen wir nun in die Offensive", sagte Cavallo nun. "Es ist ein Gegenmodell zum Kahlschlag-Plan des Vorstandes, der Zukunft verhindert statt schafft."
Auch Manager-Boni sollen gespart werden
Einem Personalabbau verschließe man sich dabei nicht grundsätzlich. Er müsse aber sozialverträglich erfolgen. Und: Auch das Management solle auf Boni verzichten und in den geforderten Fonds zur Zukunftssicherung einbringen. Das Gesamtkonzept will die IG Metall am Donnerstag in der Tarifrunde "auf den Tisch legen", kündigte Gröger an. Ziel sei es, bis Weihnachten zu einer Einigung zu kommen.
VW-Personalchef will Schließungen weiterhin nicht ausschließen
Volkswagen reagierte zurückhaltend auf die Vorschläge. "Zunächst begrüßen wir es, dass die Mitbestimmung Offenheit für Maßnahmen bei Arbeitskosten und Kapazitätsanpassungen signalisiert", sagte Personalvorstand Gunnar Kilian laut einer Mitteilung. Die konkreten Vorschläge müsse man nun aber zunächst finanziell bewerten. Bei der Tarifrunde am Donnerstag wolle man dazu "in einen detaillierteren Austausch gehen".
Zugleich bekräftigte Kilian: "Für die Volkswagen AG steht unverändert die nachhaltige Erreichung des finanziellen Ziels und damit die Wettbewerbsfähigkeit im Mittelpunkt." Daher ließen sich Werkschließungen weiter nicht ausschließen. "Der eingebrachte Vorschlag muss sich daran messen lassen, ob er konkrete und nachhaltige Lösungen bietet, die sowohl die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens sichert als auch die Zukunft der Belegschaft glaubhaft schützt."
"Günstiges Elektro-Einstiegsmodell fehlt"
Kernelemente für einen "Masterplan 2025 - 2030 - 2035" hatte Cavallo bereits Anfang September auf einer Betriebsversammlung skizziert. Dabei gehe es etwa um die Produktsubstanz der Wolfsburger, die sich verbessern müsse. "Volkswagen war immer dann erfolgreich, wenn wir mit starken Produkten unsere Kundschaft begeistert haben", sagte Cavallo damals. "Aktuell aber kommt es immer wieder zur Rücknahme von bereits getroffenen Entscheidungen. Und zu einem Verschieben von Produkten und Projekten." Vor allem fehle dem Konzern ein günstiges Elektro-Einstiegsmodell, das erst 2026 mit dem ID.2 anlaufen soll.
Zudem müsse der Konzern technologisch wieder an die Spitze und die Produkte dann auch schnell zu den Kunden bringen. "Wir brauchen deutliche Sprünge vor allem in den Bereichen Software, termingerechte Anläufe und Kundenakzeptanz", so Cavallo seinerzeit. "Und alles, was am Ende nicht relevant ist für unsere Technologieführerschaft und somit nicht kaufentscheidend für unsere Kundschaft, das muss überdacht werden."
Fokus auf Kernmarke VW
Konkret bedeute das: "Unsere Komplexität muss runter, unsere Regelwut müssen wir angehen, wir müssen unseren Dokumentationsirrsinn abstellen." Und der Konzern müsse Doppelarbeiten der einzelnen Marken abbauen. "Wir müssen Synergien schaffen und nicht Dinge doppelt und dreifach entwickeln und so Geld verbrennen", so Cavallo, die selbst studierte Betriebswirtin ist. "Wir fordern daher eine Neujustierung des Steuerungsmodells im Konzern mit einer klaren Fokussierung auf die Marke Volkswagen. Die Marke Volkswagen ist und bleibt der Kern des Volkswagen-Konzerns."
Mit Blick auf die Finanzen forderte Cavallo damals: "Gerade in herausfordernden Zeiten brauchen wir aber den Mut, auch in der Krise zu investieren und so den Grundstein für die Innovationen von morgen zu legen." Das gelte etwa für neue Modelle im Volumensegment. Dadurch lasse sich die Auslastung der Werke verbessern, was die Kosten senke. Alles andere sei blindes Sparen.