Flugtaxi-Startup Volocopter Luftschloss oder Zukunft der Luftfahrt?
Ein deutsches Startup will Luftfahrtgeschichte schreiben und bereits in einem Jahr ein elektrisches Flugtaxi an den Start bringen. Die rechtlichen Hürden sind hoch - und die Konkurrenz groß.
Bislang sind es vor allem Segelflieger und kleinere Sportflugzeuge, die vom Flugplatz Bruchsal abheben. Freizeitflieger, die nach einer Runde über Nordbaden im vereinseigenen Restaurant zu Schnitzel und Pommes einkehren und den Blick auf ihren Flugplatz genießen. Der Platz ist eine grüne Oase zwischen Gewerbegebieten und der Autobahn A5. Genau hier will das Bruchsaler Unternehmen Volocopter schon bald Luftfahrtgeschichte schreiben.
Neben dem alten, bundeswehrgrünen Hangar für Segelflieger wurde dafür in wenigen Monaten ein moderner Hangar für Flugtaxis hochgezogen. "Von hier aus werden sich elektrische Flugtaxis auf den Weg in die Welt machen und die Art und Weise, wie wir Menschen uns ins Städten bewegen nachhaltig verändern", so Volocopter-Chef Dirk Hoke bei der Eröffnung des Hangars.
Produktion in Deutschland startet
Mit der Fertigstellung des neuen, mehrere Millionen Euro teuren Hangars ist Volocopter bereit für die Serienproduktion. Bis zu 50 "VoloCitys", so heißt das Bruchsaler Flugtaxi-Modell, können dann pro Jahr in der badischen Provinz produziert werden. Im Drei-Schicht-Betrieb wären bis zu 150 Einheiten pro Jahr machbar. Während im neuen Hangar künftig die Endmontage stattfinden soll, arbeiten rund zwei Kilometer entfernt Ingenieure an den Rotoren aus Karbon. Der Werkstoff ist aufgrund seines geringen Gewichts und der gleichzeitigen Festigkeit auch im Motorsport im Einsatz.
18 Rotoren treiben den mehr als eine Tonne schweren Multikopter an. Das meiste Gewicht machen die neun eingebauten Batterien aus, die eine Reichweite von gerade einmal 35 Kilometern haben. "Die größte technologische Herausforderung bei dem Betrieb von elektrischen Flugtaxis ist die Energiespeicherung", sagt Volker Gollnick vom Institut für Lufttransportsysteme an der TU Hamburg. Batterien seien zur Zeit noch verhältnismäßig schwer und böten nur eine geringe Speicherkapazität.
Ein Problem, das auch den Geschäftsführer von Volocopter beschäftigt. Das erste Flugtaxi werde deshalb nur zwei Menschen Platz bieten, sagt Geschäftsführer Hoke: "Die Leistungsdichte der Batterien ist heute noch nicht geeignet um vier, fünf, sechs oder sieben Menschen zu transportieren." Das sei aber langfristig das Ziel.
Goldgräberstimmung und viel Konkurrenz
Weltweit arbeiten Ingenieure an der Luftfahrt der Zukunft und hoffen mit der Entwicklung von elektrisch fliegenden Taxis einen ganz neuen Markt zu erschließen. Die deutschen Unternehmen Lillium in Bayern und Volocopter in Baden-Württemberg gelten unter Experten als besonders vielversprechend im Segment der so genannten "Urban Air Mobility". Mit Airbus ist auch ein klassischer Flugzeugbauer an der Entwicklung von Flugtaxis beteiligt. Ein weiteres Projekt, das maßgeblich von Google-Mitbegründer Larry Page vorangetrieben wurde, hatte im vergangenen Jahr dagegen seinen Betrieb eingestellt.
"Der Luftverkehr lebt von Innovationen", sagt Karsten Benz von der Hochschule Worms. "Die Menschen haben ein Mobilitätsbedürfnis. Sie wollen von A nach B kommen und bleiben viel zu oft im Stau stehen. Air Taxis bieten eine umweltfreundliche Alternative." Der Professor für Luftverkehrsmanagement sieht eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel zur Verbindung von Flughäfen mit der Innenstadt. Flugtaxis seien aber eher als Ergänzung zu betrachten und nicht als Ersatz für bestehende Transportmöglichkeiten.
4,2 Millionen Euro vom Bund
Eine weitere Einsatzmöglichkeit erforscht die ADAC Luftrettung gemeinsam mit dem Startup aus Bruchsal. Der Multikopter könnte aufgrund seiner geringeren Größe und Lautstärke klassische Rettungshelikopter im städtischen Raum ersetzen.
Der klare Fokus liegt bei den meisten Unternehmen aber im Individualverkehr. "Unser Ziel ist es, für Menschen neue Perspektiven der Mobilität zu ermöglichen", sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing bei der Eröffnung des neuen Volocopter-Hangars in Bruchsal. Der FDP-Minister ist bereits zum zweiten Mal beim Startup zu Gast. Er spricht von Pionierarbeit und den Beginn einer neuen Ära der Luftfahrt. "Wir wollen, dass Deutschland als Erstes abhebt." Dafür unterstützt der Bund das Projekt mit rund 4,2 Millionen Euro. Selten genug kommt es vor, dass ein deutsches Technik-Startup weltweit führend ist.
Hohe Hürden bei der Zulassung
Erstmals kommerziell abheben möchte Volocopter bereits im kommenden Jahr bei den olympischen Spielen in Paris. Auf mehrere Routen sollen die Multikopter Zuschauer durch die Stadt fliegen. Nach Olympia soll es dann Schlag auf Schlag gehen: Rom, Singapur, Osaka und die saudi-arabische Planstadt Neom wollen noch 2024 den Flugtaxi-Betrieb starten.
Das gelingt allerdings nur, wenn die Behörden mitspielen. Und das könnte noch zum Problem werden. "Es ist eine Herkulesaufgabe, hier eine Zertifizierung für die Luftverkehrstauglichkeit zu bekommen", gibt Luftverkehrsexperte Karsten Benz zu bedenken. "Flugtaxis müssen integrierbar in den bestehenden Luftverkehr sein. Dazu bedarf es neue Konzepte der Luft- und Flugsicherung."
Bei Volocopter in Bruchsal sind sie zuversichtlich, im zweiten Quartal 2024 die notwendige Musterzulassung der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA zu erhalten. "Volocopter hat von Anfang an nicht auf fancy Design, sondern auf Zertifizierbarkeit geachtet", sagt Geschäftsführer Hoke.
Noch viele offene Fragen
Fraglich ist, wie wirtschaftlich solche Flugtaxis in Zukunft betrieben werden können und wie viel sie einmal kosten werden. Eine Studie der Hochschule für Technik in Stuttgart im Auftrag von Volocopter hat ergeben, dass Menschen bereit wären, 60 bis 100 Euro für den Weg vom auswärts gelegenen Stuttgarter Flughafen in die Innenstadt zu bezahlen. In etwa so viel, wie mit dem bodengebundenen Taxi, das sich schon heute nur wenige leisten. "Das würde bedeuten, dass es nur wenige Menschen gibt, die tatsächlich bereit sind, das Angebot für den Preis wahrzunehmen", kritisiert Experte Benz von der Hochschule Worms.
Unklar ist auch, wann Flugtaxis komplett autonom und ohne Pilot in die Luft gehen können. Eine Zukunftsvision, mit der Entwickler gerne werben. Expertinnen und Experten glauben, dass das erst in den 2030er-Jahren möglich sein wird - frühestens.