BGH zu YouTube-Inhalten Unter Umständen haftbar
Internet-Plattformen wie YouTube können wegen Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer unter Umständen auf Schadenersatz verklagt werden. Das entschied nun der Bundesgerichtshof. Wie können Plattformen die Haftung abwenden?
Online-Plattformen wie YouTube müssen wirksame Maßnahmen ergreifen, um Urheberrechtsverstöße zu bekämpfen. Das hat der Bundesgerichtshof nun entschieden. Andernfalls droht eine Haftung für illegale Inhalte, die von Nutzern hochgeladen wurden. Doch ob die Entscheidung wegweisend für die Zukunft ist, kann bezweifelt werden. Denn die Fälle, um die es geht, liegen schon länger zurück. Die Entscheidung basiert noch auf einer alten Rechtslage, die sich mittlerweile grundlegend geändert hat.
Worum geht es in dem Rechtsstreit?
In dem Verfahren sind sieben Fälle zusammengefasst, in denen der Bundesgerichtshof die Verantwortung der beiden Internetplattformen YouTube und uploaded für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer klärt. Auf beiden Internetportalen können kostenlos Videos, Tonaufnahmen oder - wie im Fall von uploaded - Dateien jeglicher Art eingestellt und anderen zugänglich gemacht werden.
Musikunternehmen, ein Verlag für wissenschaftliche Fachliteratur, der Produzent der Sängerin Sarah Brightman und die GEMA hatten geklagt. Sie beanstanden in den konkreten Fällen, dass Nutzer beispielsweise Konzertmitschnitte, Musikalben oder medizinische Fachbücher unerlaubt auf die Plattformen hochgeladen hatten. Die Urheberrechtsverletzungen liegen dabei teilweise schon fast 14 Jahre zurück. Die Kläger wollten die Plattformen nicht nur verpflichten, zukünftige Verstöße zu verhindern, sondern hatten zudem auch Schadenersatz verlangt.
Wie hat der BGH entschieden?
Die Karlsruher Richter hatten die Fälle bereits 2018 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, um die Verantwortung der Plattformen nach dem maßgeblichen EU-Recht zu klären. Der hatte im Juni vergangenen Jahres entschieden, dass Anbieter wie YouTube grundsätzlich nicht für das Verhalten ihrer Nutzer verantwortlich sind, solange sie keine Kenntnis von den illegalen Inhalten haben. Etwas anderes könne aber gelten, wenn das Geschäftsmodell der Plattform bereits darauf ausgelegt ist, rechtsverletzende Inhalte zur Verfügung zu stellen, oder wenn keine nach "üblicher Sorgfalt" geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um Urheberrechtsverletzungen zu bekämpfen.
Genau auf diesen Punkt geht der BGH in seinem aktuellen Urteil ein und weist die Fälle an die Vorinstanzen zurück. Die sollen nun prüfen, ob beide Unternehmen in den konkreten Einzelfällen solche wirksamen Maßnahmen in ihren Systemen eingebaut hatten. Einfache Formulare, um Rechtsverstöße zu melden, seien nicht ausreichend, um Urheberrechtsverletzungen entgegenzuwirken. Ob die Plattformen am Ende tatsächlich Schadenersatz in den betroffenen Fällen zahlen müssen, ist damit noch offen. Insbesondere für den Anbieter von uploaded könnte es allerdings eng werden. Die Karlsruher Richter sahen dort Anhaltspunkte, dass bereits das Geschäftsmodell der Plattform darauf beruht, illegale Inhalte vorzuhalten.
Gilt die Entscheidung auch für aktuelle Urheberrechtsverstöße?
Die Fälle wurden größtenteils nach alter Rechtslage entschieden. Mittlerweile gilt eine neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht. Die sieht eine umfassende Neuregelung der Verantwortung von Plattformbetreibern für Rechtsverstöße ihrer Nutzer vor. Deutschland hat die Neuregelung bereits im vergangenen Jahr umgesetzt. Seit August 2021 ist sie in Kraft.
Die aktuelle Entscheidung des BGH ist damit nur noch bedingt aussagekräftig für die neue Rechtslage. Denn die bis dahin offene Kernfrage für die Verantwortung der Betreiber, nämlich ob sie selbst eine "Wiedergabe" im urheberrechtlichen Sinne vornehmen, wenn Nutzer Inhalte auf die Plattformen hochladen, ist nun eindeutig gesetzlich geregelt.
Welche neuen Regeln gelten für die Plattformen?
Die großen Digitalunternehmen sind mittlerweile angehalten, sich selbst um Lizenzen für Musik, Filme und sonstige Werke zu kümmern, die ihre Nutzer hochladen könnten. Rechteinhaber sollen so an den Einnahmen der Plattformen beteiligt werden. Tun die Betreiber dies nicht, haften sie dafür, wenn urheberrechtlich geschützte Werke eingestellt werden. Sie können der Haftung nur entgehen, indem sie technische Systeme einsetzen, die von vornherein Urheberrechtsverletzungen verhindern.
An der Reform gab es Kritik, denn gerade diese Regelung verpflichtet Plattformen faktisch dazu, sogenannte Upload-Filter einzusetzen. Polen hatte deswegen vor dem EuGH geklagt, war damit im April allerdings gescheitert. Das EU-Gericht erklärte die Urheberrechtsreform grundsätzlich für rechtmäßig. Wie die Filter in der Praxis anzuwenden sind und ab wann genau die Verantwortung der Plattformen nach den neuen Regeln greift, haben die höchsten Gerichte noch nicht entschieden.