Tesla- und Twitter-Chef Elon Musk
Analyse

Chef von Tesla, SpaceX und Twitter Wie gut ist Elon Musk als Unternehmer?

Stand: 17.11.2022 21:22 Uhr

Empathielos und machtversessen oder genial und revolutionär? Der neue Twitter-Chef Elon Musk hat immer polarisiert. Wie sieht seine Bilanz als Unternehmer aus - und wie beurteilen Experten seinen Führungsstil?

Eine Analyse von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Für die einen ist Elon Musk ein extrem erfolgreicher Visionär, der den Verkehr hin zur Elektromobilität revolutioniert und der Ukraine nach dem russischen Angriff die Kommunikation ermöglicht hat. Für die anderen ist der reichste Mann der Welt ein egoistischer und empathieloser Unternehmer, der Mitarbeiter vor die Tür setzt und stets nur Wachstum und Profit im Auge hat.

Auch seine manchmal willkürlich und erratisch wirkenden Entscheidungen stoßen oft auf Verwunderung. Nach den Chaos-Tagen bei Twitter blicken nun viele Beobachter gespannt auf Musks nächste Schritte. Wie beurteilen Experten seine strategischen Qualitäten und seinen Führungsstil? Und wie erfolgreich ist er wirklich?

Der "Autoindustrie gezeigt, wie es gehen kann"?

"Musk versucht scheinbar unlösbare Probleme der Welt anzugehen und löst sie meistens auch erfolgreich - mit der Motivation, Gutes für die Menschheit zu tun", meint Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds, der seit 2005 in junge Techfirmen investiert und Start-ups begleitet. Es sei "unglaublich beeindruckend", dass er trotz vieler Hindernisse dranbleibe und es letztlich doch schaffe.

Am bekanntesten ist Elon Musk, der schon als Zwölfjähriger ein eigenes Computerspiel verkauft hat, wohl als Chef von Tesla. Der Einstieg und die Weiterentwicklung des 2003 gegründeten Elektroautobauers dürfte sein bislang größter Erfolg sein. Innerhalb von nicht einmal 20 Jahren wuchs Tesla zum Pionier der Elektromobilität heran, indem das Unternehmen als erster Hersteller E-Autos mit Reichweiten von 400 Kilometern auf den Markt brachte und Software einbaute, die sonst niemand hatte.

"Der Konzern hat als sehr junges Unternehmen der gesamten deutschen Autoindustrie gezeigt, wie die Elektromobilität funktionieren kann", so von Frankenberg im Gespräch mit tagesschau.de. Mittlerweile ist der US-Konzern der nach Börsenwert wertvollste Autobauer und wächst immer weiter. Trotz hoher Inflation und weltweiter Konjunktursorgen konnte Tesla den Gewinn im dritten Quartal mehr als verdoppeln und schaffte sowohl beim Umsatz als auch bei den Auslieferungen eine neue Bestmarke. 

Erfolge im Weltraumgeschäft

Ein weiteres Beispiel für das Durchhaltevermögen von Musk ist laut von Frankenberg das von ihm gegründete Raumfahrtunternehmen SpaceX. Nach zehn schwierigen Jahren, in denen das Unternehmen mehrmals knapp an der Insolvenz vorbeischrammte, schaffte es 2012 den Durchbruch und heimst mittlerweile als eines der Schwergewichte der Raumfahrtbranche Milliardenaufträge ein.

Mit der Tochterfirma Starlink hat Musk zudem das Ziel, in allen Winkeln der Erde schnelles Internet zu ermöglichen - aktuell etwa in ukrainischen Kriegsgebieten oder im Iran. Stand heute befinden sich mehr als 3000 Starlink-Satelliten in der erdnahen Umlaufbahn. "Nicht einmal in Deutschland haben wir es bisher ganz geschafft, ländlichen Regionen High-Speed-Internet zu bieten", so von Frankenberg.

Neben Tesla und SpaceX steht Musk auch bei weiteren Unternehmen an der Spitze. 2016 gründete der Milliardär die Firma The Boring Company, mit der er eine Art unterirdisches Transportsystem aufbauen will. Dazu kommen Neuralink für die Kommunikation zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern sowie OpenAI zur Erforschung künstlicher Intelligenz. Schon früher war er Fachleuten zufolge mit seinem digitalen Firmenverzeichnis und ersten Startup Zip2, das er mit gerade einmal 24 Jahren gründete, sowie dem Zahlungsdienstleister X.com, der später zu PayPal und für 165 Millionen US-Dollar an Ebay verkauft wurde, seiner Zeit voraus.

"Musk fällt seinem Ego zum Opfer"

Doch der gebürtige Südafrikaner hat immer wieder auch Fehlschläge erlebt: So verkleinert Musk derzeit seine Ökostromsparte SolarCity, sein Hyperloop-Projekt kommt nicht voran und selbst beim Elektroautobauer sorgen Rückrufaktionen sowie Qualitätsprobleme für negative Schlagzeilen. Auch was seine Ziele betrifft, ist der als Workaholic geltende 51-Jährige umstritten.

"Es mag sein, dass er Tesla damals übernommen hat, um die Welt zu verbessern. Was ich aber im Moment an Handlungen sehe, deutet darauf hin, dass Musk immer mehr seinem Ego und seinen manipulativen Kräften zum Opfer fällt", sagt Wolfgang Jenewein, Wirtschaftsprofessor an der Universität St. Gallen, gegenüber tagesschau.de. Beim Kauf von Twitter gehe es ihm vermutlich eher um Einfluss, Macht und seine Überzeugungen als um das Gemeinwohl.

Musk könne indes "Entwicklungen antizipieren, die er in emotionale Zielbilder packt", so der Experte. Durch hoch gesteckte Ziele - beispielsweise mit Tesla doppelt so wertvoll wie Apple zu werden - könne er bei seinen Mitarbeitern Selbstvertrauen aktivieren. Ähnlich sehen es Andy Wu von der Harvard Business School und Goran Calic von der DeGroote School of Business. Musks Strategie sorge für Wettbewerbsvorteile und treibe die Beschäftigten zu überaus ambitionierten Ergebnissen an, schreiben die beiden Management-Professoren in einem Beitrag für das US-Magazin "Harvard Business Review". Auch Investoren könne er mit seinen Ambitionen und Ideen immer wieder überzeugen.

Wankelmütigkeit und verfehlte Ziele

Allerdings führe sein riskantes Vorgehen dazu, dass manche ehrgeizigen Ziele zumindest zeitlich verfehlt werden, so die Forscher. Beispiele seien falsche Prognosen bei Starlink oder die schwächelnde Weiterentwicklung des Autopilot-Systems bei Tesla. "Wenn Ziele nicht oder nur über Umwege erreicht werden, ist Musk sehr erratisch und ändert sofort den Kurs", sagt auch Jenewein. Das führe zu Verunsicherung im Konzern. Bei Twitter berichteten zahlreiche Mitarbeiter gegenüber US-Medien von Chaos und Ratlosigkeit während der ersten Arbeitstage unter Musk.

Der teure Twitter-Kauf sei wohl eher eine Kurzschlussreaktion gewesen, und das Hin und Her seit der Übernahme zeige neben der Wankelmütigkeit auch seine Art des Führungsstils. "Aus der Ferne gewinnt man den Eindruck, dass Elon Musk einen sehr direktiven Führungsstil hat, er also die Rolle eines Bosses einnimmt und Verantwortung übernimmt", so Armin Trost, Professor für Human Resource Management an der Hochschule Furtwangen, gegenüber tagesschau.de.

Musk habe eine Vorstellung davon, wie Dinge zu handhaben sind und sei sehr leistungsorientiert. Dabei fokussiere er sich mehr auf die Sache als auf die Belegschaft, lebe das aber auch durch sein eigenes Verhalten vor. Nach eigenen Angaben arbeitet er aktuell "sieben Tage die Woche von früh bis in die Nacht". Um seine Firmen vor der Pleite zu bewahren, setzte er in der Vergangenheit fast sein komplettes Vermögen aufs Spiel.

Zu jeder Uhrzeit Anrufe bei Beschäftigten

Häufig wird Musk für seine direkte und teils gnadenlose Art kritisiert. Medienberichten zufolge soll er Mitarbeitende zu jeder Tag- und Nachtzeit anrufen, private Gründe für die Absage von Meetings nicht dulden und extrem fordernd sein. Allein bei Twitter soll er das Topmanagement mit einem Handstreich ausgewechselt, rund die Hälfte seiner Angestellten ohne Erklärungen vor die Tür gesetzt, den verbliebenen ein Ultimatum gestellt und Homeoffice verboten haben.

"Die riesige Debatte um Twitter müssen wir einordnen in einen gewissen Zeitgeist, wenn es um das Thema Führung geht", erklärt Psychologe Trost. "Wir erleben momentan eine verbreitete Haltung, wonach Führung mitfühlend oder gar verwöhnend sein muss." In schwierigen Zeiten seien manchmal aber auch harte Entscheidungen nötig - etwa um ein Unternehmen zu retten.

Auch Jenewein hält den direktiven Führungsstil an sich nicht für falsch. Dennoch ist sich der Fachmann sicher: "Gerade so eine Übernahme muss mit mehr Empathie vollzogen werden. Da lässt Musk einiges vermissen." Durch seinen guten Ruf aufgrund der Erfolge bei Tesla und SpaceX gebe es noch keine großen Unruhen in der Belegschaft. Das könne sich jedoch ändern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. November 2022 um 15:52 Uhr.