Bundestag beschließt Gesetz Digitale Hauptversammlungen bleiben
Die virtuelle Hauptversammlung der Aktionäre war während der Corona-Pandemie als Provisorium eingeführt worden. Nun hat sie der Bundestag als dauerhafte Möglichkeit beschlossen. Doch Aktionärsschützer kritisieren das Gesetz.
Der Bundestag hat in der Nacht die dauerhafte Verankerung der virtuellen Aktionärstreffen beschlossen. Aktieninhaber sollen mit dem Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen auch künftig die Möglichkeit haben, an digitalen Versammlungen teilnehmen zu können. Die neue Regelung soll zudem auf die Generalversammlung von Genossenschaften erweitert werden.
Eine Sonderregelung zum virtuellen Aktionärstreffen war im Zuge der Corona-Pandemie erlassen worden. Sie war als temporäre Lösung vorgesehen und läuft Ende August aus. Das nun beschlossene Gesetz löst die bisherige Sonderregelung durch einen dauerhaften Rechtsrahmen ab.
Zwar erlaubt das neue Gesetz Unternehmen, ihre Hauptversammlungen digital abzuhalten. Allerdings muss dieser Anspruch alle fünf Jahre erneuert werden. Wie auch bei analogen Hauptversammlungen vor Ort können Aktieninhaber dabei auch im virtuellen Raum Fragen und Anträge stellen und besitzen ein Rederecht. Der FDP-Abgeordnete Thorsten Lieb sprach in der Debatte von einem zentralen Baustein zur umfassenden Digitalisierung und Modernisierung des Gesellschaftsrechts.
Fragen vorher einreichen
Der Vorstand kann laut der gesetzlichen Regelung festlegen, dass die Fragen auf einer virtuellen Hauptversammlung drei Tage vorher eingereicht werden müssen. Das Unternehmen ist dann aber dazu verpflichtet, diese Fragen bis spätestens einen Tag vor dem digitalen Zusammentreffen schriftlich zu beantworten. Der Umfang der eingereichten Fragen kann aber durchaus "angemessen beschränkt werden", heißt es in dem Beschluss.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte den ursprünglichen Referentenentwurf nach lautstarker Kritik von Aktionärsschützern bezüglich des Fragerechts angepasst. So sah der ursprüngliche Entwurf keine Rückfragen der Aktionäre vor, deren Fragen zuvor schon schriftlich beantwortet wurden. Diese sind nun zulässig.
Kritik an Gesetz
Kritik an dem Gesetz gibt es bereits, und das gleich von zwei Seiten. So moniert der Lobbyverband, das Deutsche Aktieninstitut (DAI), welcher die Mehrheit der deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften vertritt, das "doppelte Fragerecht". So verbleibe das nahezu uneingeschränkte Fragerecht während der Versammlung trotz vorheriger Beantwortung der Fragen durch den Vorstand, heißt es in einer Mitteilung des DAI.
Während Anteilseigner wie große Fondsgesellschaften die Aktionärszusammenkünfte in der jüngeren Vergangenheit immer stärker dafür nutzten, die Hauptversammlung als Bühne zu verwenden, um die Interessen ihrer Anleger zu vertreten und etwa kritische Fragen zur Klimastrategie der Unternehmen zu stellen, beanstanden börsennotierte Unternehmen, dass die Hauptversammlungen immer länger werden.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisiert gegenüber tagesschau.de, dass das Gesetz besser sei als in dem ursprünglichen Referentenentwurf, einige positive Punkte aus dem ersten Regierungsentwurf aber zurückgedreht worden seien. Der Verband vertritt die Interessen privater Anleger unter anderem auf Hauptversammlungen. In der Kritik gehe es vor allem um das pauschale Fragerecht, das eingeschränkt werde. So seien in dem aktuellen Gesetz nur Rückfragen zu bereits gestellten Fragen möglich. Auf aktuelle Entwicklungen könne man als Aktionär dann nicht mehr eingehen - im Gegensatz zur analogen Hauptversammlung.
Stimmen Anleger dafür?
Offen bleibt, ob die Aktionäre überhaupt für eine digitale Hauptversammlung stimmen werden. In dem Zusammenhang dürfte auch die Haltung der Stimmrechtsberater eine wichtige Rolle spielen, die Großaktionäre bei der Ausübung ihrer Stimmrechte beraten. So muss die virtuelle Zusammenkunft der Aktionäre zunächst auf einer Hauptversammlung beschlossen werden. Sollte dem zugestimmt werden, kann sich der Vorstand dennoch theoretisch für eine analoge und gegen eine virtuelle Zusammenkunft entscheiden.
Nicht nur für die Unternehmen selbst habe die digitale Hauptversammlung Vorteile, so die DSW. Gerade bei den DAX-Konzernen sitze das Gros der Aktionäre im Ausland. Für diese habe die virtuelle Versammlung den Vorteil, etwa Reisekosten einzusparen. Dabei sei die Hauptversammlung für den Großaktionär als Medium nicht so wichtig wie für den Kleinaktionär, dem der Vorstand vor Ort antworten müsste.