Konzern in der Kritik Coca-Cola und das Plastikproblem
"Offen fürs Neue" lautet ein Slogan von Coca-Cola. Dabei tut sich der Konzern schwer mit Veränderung. Doch weil die Kritik an der Produktion von Plastikmüll nicht abreißt, will Coca-Cola mehr auf Recycling setzen.
Wer kennt sie nicht: Bilder von PET-Flaschen, die in den Meeren treiben oder auch in den Wäldern herumliegen. Plastikmüll verstopft die Mägen von Vögeln und Fischen - und verschandelt ganze Küstenstreifen. Immer wieder schlagen Meeresforscher, Umweltschützer und Politiker Alarm. Doch noch immer sorgen Kunststoff-Flaschen, -Verpackungen und andere Materialien aus PET (Polyethylenterephthalat) für mehr als 60 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr. Neun Millionen Tonnen landen in den Ozeanen. Ein großer Teil davon sind PET-Flaschen.
Coca-Cola größter Plastikverschmutzer?
Mitverantwortlich für die Plastikmüll-Flut ist Coca-Cola. Der Softdrink-Riese produziert im Sekundentakt Tausende Kunststoffflaschen. Pro Jahr sind es 88 Milliarden. Die Break Free from Plastic Campaign, ein weltweites Netzwerk zum Kampf gegen Plastikmüll, sieht den Konzern als größten Plastikverschmutzer weltweit.
Um sein schlechtes Image zu ändern, sieht sich der Konzern nun gezwungen zu handeln. Er führt in mehreren US-Bundesstaaten für einige Marken zu 100 Prozent recycelte PET-Flaschen (rPET) ein und will damit den Einsatz von neuem Plastik bis 2030 um ein Fünftel reduzieren. In kleineren Märkten wie Schweden und den Niederlanden hat Coca-Cola nach eigenen Angaben schon alle PET-Flaschen auf 100 Prozent rPET umgestellt.
Zerquetschte PET-Flaschen warten darauf, wiederverwertet zu werden. Coca-Cola will künftig mehr recyceln.
Höhere Recyclingquote bei PET-Flaschen geplant
Auch in Deutschland will Coca-Cola die Wiederverwertungsquote bei PET-Flaschen erhöhen. Ende 2020 lag der Anteil von recyceltem Material (rPET) bei 40 Prozent. Dieser soll bis zum Jahresende auf 70 Prozent steigen, kündigte eine Sprecherin gegenüber tagesschau.de an. Flaschen der Marke ViO sollen dann vollständig aus recycletem PET bestehen. Details dazu werden kommende Woche bekannt gegeben.
Der Brause-Konzern, der heute seine Quartalszahlen veröffentlichte, und auch die übrige Getränkeindustrie haben ein Interesse daran, den Recycling-Anteil zu erhöhen. Denn vom kommenden Jahr an wird laut Verpackungsgesetz-Novelle ein Pfand auf PET-Flaschen aus Einwegplastik erhoben. Ab 2025 müssen PET-Einwegflaschen für Getränke mindestens zu 25 Prozent aus recyceltem Kunststoff (Rezyklat) bestehen, 2030 dann zu 30 Prozent.
Rezyklat teurer als neues Plastik
Derzeit werden in Deutschland rund 90 Prozent der Flaschen eingesammelt - meist über die entsprechenden Container in den Supermärkten. Nur 30 bis 40 Prozent der gesammelten und aufbereiteten PET-Flaschen wird wieder für neue Flaschen verwendet. Der Rest wird zu Folien, Flaschenkisten oder anderen Materialien recycelt.
Das Problem: Wenn die PET-Flaschen in den Recycling-Automaten der Supermärkte eingeworfen werden, haben Coca-Cola und die Getränkeindustrie keinen Zugriff mehr auf das Material. Sie müssen sich am Markt Rezyklat beschaffen. Hinzu kommt, dass inzwischen das PET-Recycling gut 50 Prozent teurer als die Herstellung neuer Plastikflaschen ist. Das PET-Rezyklat kostet momentan bis zu 500 Euro pro Tonne mehr als neues PET. Der zwischenzeitliche Ölpreisverfall machte neue fossile Kunststoffe noch billiger.
Lidl sammelt und verwertet seine eigenen PET-Flaschen
Einen anderen Weg geht die Schwarz-Gruppe mit dem Discounter Lidl. Sie hat ein eigenes Recycling-Sammel- und Aufbereitungssystem aufgebaut. Dadurch erreicht Lidl bei seinen Plastikflaschen im Sortiment eine Wiederverwertbarkeit von mindestens 50 Prozent. Die PET-Wasserflaschen der Marke Saskia bestehen sogar ausschließlich aus recycletem Kunststoff. Bis 2025 will der Discounter eine Recyclingquote von 100 Prozent bei allen seinen Eigenmarken schaffen.
Eigentlich sollten 70 Prozent aller Getränke in Deutschland in Mehrwegverpackungen verkauft werden. Das sieht das Verpackungsgesetz seit 2019 als Ziel vor. Doch davon ist die deutsche Getränkeindustrie noch weit entfernt. Nach Angaben des Umweltbundesamts lag die Mehrwegquote 2018 bei lediglich rund 41 Prozent. Dabei gibt es eine große Kluft zwischen den einzelnen Segmenten. Während beim Bier die Mehrwegquote bei über 80 Prozent erreicht wird, beträgt sie bei alkoholfreien Erfrischungsgetränken nur 23 Prozent.
Einweg oder Mehrweg?
Lobbyverbände, Discounter und Umweltschützer streiten seit Jahren über den ökologischen Nutzen von Mehrweg und Einweg. Die Einweg-Lobby, der Bund Getränkeverpackungen der Zukunft, deren Gesellschafter Red Bull, Pepsi, Aldi und Lidl sind, argumentiert, dass bei Glas-Mehrwegflaschen deutlich mehr Verkehr entsteht. Denn im Vergleich zu den zusammengepressten Einweg-Plastikflaschen passe weniger Menge auf einen Lkw. Zudem müsse anschließend das Leergut noch hin und her gefahren werden. Mehrweg-Verfechter wie die Deutsche Umwelthilfe halten dagegen, dass Einwegflaschen nur an wenigen Orten in Deutschland abgefüllt werden und daher auch reichlich Kilometer zurücklegen müssen.
Start-ups bringen neue Innovationen
Die Getränkebranche hofft auf neue Innovationen. Diese könnten in absehbarer Zeit die Recyclingfähigkeit von PET-Flaschen weiter erhöhen. So arbeitet Coca-Cola mit dem niederländischen Start-up Ioniqa Technologies zusammen. Es hat ein Verfahren entwickelt, das das Plastik in seine Einzelbestandteile, die Monomere, zerlegt. Die getrennten Stoffe werden gereinigt und dann zu neuem Kunststoff zusammengesetzt.
Noch revolutionärer klingt die Technologie des französischen Start-ups Carbios. Die Firma hat einen "Plastikfresser" gefunden. Mit einem neuartigen Enzym schaffen sie es, eine PET-Flasche binnen weniger Stunden zu 90 Prozent abzubauen, also in ihre Bestandteile zu zerlegen. Aus den Molekülen wird ein neues Plastik-Granulat gebildet. Bis Mitte des Jahres baut Carbios eine Pilotanlage in Clermont-Ferrand. PepsiCo, Nestlé Waters und Orangina Schweppes kooperieren mit dem Start-up.
Papierflasche als Alternative?
Derweil tüfteln Coca-Cola und auch Carlsberg an einer (fast) plastikfreien Alternative: der Papierflasche. Der Bierbrauer Carlsberg experimentiert seit zwei Jahren mit Flaschen aus Holzfasern. Coca-Cola testet nun in Ungarn den Prototyp einer Papierflasche. Er besteht aus einer Papierhülle mit einer Kunststoffauskleidung. Sowohl Coca-Cola als auch Carlsberg setzen dabei auf die Innovationskraft des dänischen Start-ups Paboco. Coca-Cola sieht die Papierflasche als weiteren Schritt in Richtung "Welt ohne Müll". Es werden noch viele Schritte nötig sein.