Lage der Buchbranche Zwischen Krise und Konsolidierung
Die Kaufzurückhaltung im vergangenen Jahr hat auch vor dem Buchmarkt nicht halt gemacht - so die vorläufige Bilanz der Branche. Allerdings ist das Bild bei Verlagen und Buchläden vor Ort durchaus unterschiedlich.
Bücher zählen: Das macht Andrea Tuscher normalerweise nur zwischen Weihnachten und Neujahr. Natürlich nicht die eigenen im heimischen Regal, sondern die in ihrem Buchladen in Offenbach. Mit der Inventur stellt die Buchhändlerin alljährlich ihren Bestand fest und resümiert auch, wie die Lage im eigenen Buchladen so ist.
Ihr Fazit: 2022 war für die bekennende Literaturliebhaberin schlechter als das Jahr davor, allerdings war gerade das Jahr 2021 mit einer Steigerung von 19 Prozent ein besonders starkes. "Wir haben 2022 im stationären Verkauf erstmals seit zehn Jahren einen Umsatzrückgang gehabt. Zuletzt hatten wir immer Steigerungen. Gut gingen allerdings Krimis und Kinderbücher. Rückläufig waren Bücher aus der Belletristik und die Sachbücher."
Altbewährtes in der Krise
Eine Momentaufnahme im Buchladen vor Ort, die nicht alle Beteiligten am Buchmarkt für 2022 bestätigen können. Zahlen nennt man beim Verlag S.Fischer in Frankfurt am Main zwar nicht. Der kaufmännische Geschäftsführer Gerd Robertz aber gibt zu: "In schweren Zeiten der globalen Konflikte, in Zeiten der Klimakrise und Pandemie haben Bücher besondere Chancen - und das hat sich 2022 vor allem bei den Sachbüchern gezeigt, hier gab es bei uns große Verkaufserfolge. Menschen suchen jetzt Information und Orientierung, und was gäbe es hier Besseres als Bücher?"
Einer der Verkaufsschlager im Programm des Frankfurter Verlags: Greta Thunbergs Klimabuch. Schwierig war das Jahr allerdings für Erstlingswerke, so Robertz: "In Krisenzeiten greift das Publikum besonders häufig zu Büchern bekannter Autorinnen und Autoren."
Verlage mit Zahlen zufrieden
Eindeutig positiv ist die Bilanz bei Egmont. Comics verkauften sich 2022 gut, in bestimmten Bereichen gab es sogar ein exorbitantes Wachstum, so Verkaufsleiter Comic & Manga, Markus Iking: "Unser Manga-Label verzeichnete ein Wachstum von fast 25 Prozent. In der Warengruppe Comic gab es einen erwarteten Umsatzrückgang, da 2022 kein neuer Asterix-Band erschienen ist, anders als im Jahr davor."
In vielen Bereichen war das Jahr 2021 herausragend, daher überrascht der Umsatzrückgang insgesamt im vergangenen Jahr nur wenige Verlage und Händler. Die Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels belegen dies. Der Umsatz lag 2022 über die zentralen Vertriebswege hinweg zwar 2,1 Prozent unter dem des Vorjahres, und die Zahl der verkauften Bücher ging im selben Zeitraum um drei Prozent zurück; für den Umsatzrückgang insgesamt verantwortlich waren vor allem der Verkauf übers Internet.
Allerdings konnten Buchläden vor Ort ihre Umsätze steigern: 4,8 Prozent mehr Umsatz als 2021 machten die Händler in ihren eigenen Geschäften - von Ausnahmen wie im Buchladen in Offenbach einmal abgesehen.
Gestiegene Kosten vor allem bei Papier
Die Inflation führe dazu, dass Kundinnen und Kunden auch beim Buch "jeden Euro zweimal umdrehen", so Karin Schmidt-Friderichs, die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. "Zudem ist die Frequenz in den Innenstädten gering." Anders als im Buchladen in Offenbach belegen die Zahlen des Börsenvereins einen Verkaufszuwachs bei der Belletristik. Außerdem legten Reisebücher zu - die hatten während des Lockdowns und der Pandemie auch besonders gelitten.
Sorgen bereiten den Verlagen die gestiegenen Kosten, vor allem beim Papier. Geschäftsführer Robertz vom Verlag S.Fischer verliert seinen Optimismus dennoch nicht. "Gestiegene Preise sind harte Realität, aber wir sind auf einem guten Weg: immer mehr Flexibilität bei der Buchproduktion durch zusätzliche digitale Druckverfahren und eine ständige Weiterentwicklung der Logistik."
Auch Verleger Wolf Stegmaier von Egmont schaut zuversichtlich auf 2023: "Im Vergleich zu kleineren Verlagen waren wir als Konzern mit unseren großen Druckvolumen ganz gut aufgestellt und konnten Papiermengen zwischen verschiedenen Titeln und Ländern nach Bedarf verschieben. Trotzdem kamen wir nicht drumherum, hier und da mit moderaten Preiserhöhungen zu reagieren."
Buchhändlerin Tuscher dagegen ist nicht ganz so optimistisch. Sie rechnet mit einem eher schwierigen Jahr für den Buchhandel. Ihre Kundschaft habe "zwar Verständnis für erhöhte Buchpreise, aber viele waren schon im Weihnachtsgeschäft zurückhaltender und haben einfach weniger Bücher verschenkt".