Ein Jahr Bonpflicht Teuer, umweltschädlich, überflüssig?
Die Bonpflicht war vor einem Jahr ein echter Aufreger. Betriebe mit computergestütztem Kassensystem müssen seither einen Beleg ausdrucken - auch für geringe Beträge. Wie fällt die Bilanz aus?
"Nein, danke!" - das ist auch ein Jahr nach Einführung der Bonpflicht die Standardantwort vieler Kunden auf die Frage nach einem Beleg. In der Brotmanufaktur Kleinbauer in Saarbrücken-Dudweiler wandern die abgelehnten Kassenbons auf direktem Weg in einen Sack neben der Kasse. "Nur etwa drei Prozent der Kunden wollen den Zettel, wenn sie sich ein Brötchen kaufen. Also nehmen 97 Prozent der Kunden den Bon nicht mit, der dann im Papiermüll landet", sagt Bäckermeister Hans Jörg Kleinbauer. In seiner Filiale in Dudweiler sind jeden Tag etwa drei bis vier Säcke voll mit Belegen. Er sammelt sie im Keller und entsorgt sie zwei Mal im Jahr.
Statt Einwegbecher landen jetzt Bons im Müll
Die meisten kleinen Geschäfte wie Bäckereien haben sich inzwischen mit der sogenannten Belegausgabepflicht arrangiert. "Es ist eben Gesetz und wir halten uns natürlich daran." Grundsätzlich stehe das Bäckerhandwerk für Transparenz, sagt Kleinbauer, der auch Landesinnungsmeister im Saarland ist. "Aber dass wir einerseits den Einwegbecher abschaffen und uns andererseits einen neuen Müllberg durch die Kassenbons anschaffen, das finden wir wirklich unnötig." Außerdem seien die zusätzlich benötigten Kassenrollen für viele kleine Läden eine finanzielle Mehrbelastung.
Hinzu komme, dass die digitalen Kassensysteme jetzt schon jeden einzelnen Kauf aufzeichnen und abspeichern würden. Nach und nach werde zudem überall die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung, kurz TSE, eingeführt. Sie soll eine manipulationssichere Speicherung von Geschäftsvorfällen garantieren und kann von der Finanzaufsicht direkt ausgelesen werden. Ursprünglich sollte diese bereits zum 1. Januar 2020 Pflicht sein. Die Einführung wurde aber immer wieder verschoben: zunächst, weil das System nicht rechtzeitig fertig wurde und die Zertifizierung aufwendig war. Dann kam die Corona-Pandemie. Nun sollen alle Kassen bis zum 31. März 2021 mit dem neuen TSE-System ausgestattet sein.
In der Bäckerei Kleinbauer fallen jeden Tag bis zu vier Säcke mit Kassenbons an - hier kurz nach Einführung der Bonpflicht im Januar 2020.
Bundesfinanzministerium mit Umsetzung zufrieden
Wo liegt also der Nutzen der Belegausgabepflicht? Konkrete Zahlen, inwiefern Steuerhinterziehung durch das Gesetz vermieden werden konnte, liegen laut Bundesfinanzministerium nicht vor. "Da sich Steuerhinterziehung im Verborgenen abspielt, sind keine Schätzungen möglich", heißt es in einem Statement. Dennoch zieht man im Ministerium eine positive Bilanz der Bonpflicht und will weiter daran festhalten. "Durch die Belegausgabepflicht im Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen wurde Transparenz geschaffen. Transparenz ist ein general-präventiver Effekt, der geeignet ist, Steuerhinterziehungen zu verhindern."
Darüber hinaus sei gerade das Zusammenwirken beider Maßnahmen, der zertifizierten Sicherheitseinrichtung an der Kasse und der Belegpflicht, wichtig und notwendig. Denn ohne eine Belegausgabepflicht könne der Steuerpflichtige vor Eingabe des Betrages seinen Kunden fragen, ob dieser überhaupt einen Beleg wolle. Verneint dieser, könne der Steuerpflichtige den Umsatz an der Kasse vorbei tätigen. Somit würde gar keine Transaktion gestartet, die vom System folglich auch nicht festgehalten werden könne. "Ohne die Belegausgabepflicht würde der Finanzverwaltung ein wesentliches Mittel für einen effizienten Steuervollzug aus der Hand genommen", so eine Sprecherin.
Steuergewerkschaft spricht von geeignetem Mittel
Die Deutsche Steuergewerkschaft sieht das ähnlich und hält die Belegausgabepflicht nach wie vor für ein geeignetes Mittel. Aufgrund der Corona-Maßnahmen und der Schließung vieler kleiner Geschäfte sei es zwar schwer, nach dem ersten Jahr ein Resümee zu ziehen, sagt Julia von Oetinger-Witte, Landesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft im Saarland. Dennoch sei die Einführung richtig gewesen. "Allein die Bonpflicht garantiert, dass der Umsatz auch tatsächlich in der Kasse verbucht wurde. Nur wenn der Bon erstellt wird und auch herauskommt, ist sichergestellt, dass der Umsatz erfasst wurde."
Allerdings mahnt von Oetinger-Witte, dass die Steueraufsicht nicht auf den Kunden abgewälzt werden dürfe. "Die Steueraufsicht obliegt immer noch der Finanzbehörde, dem Finanzbeamten, dem Betriebsprüfer, der Kassennachschau vor Ort, damit nachher der Unternehmer, der steuerehrlich ist und richtig bucht, nicht der Dumme ist."
Die meisten Kunden verzichten auf die Mitnahme des Kassenbons.
Elektronischer Bon statt Müllberge?
Hinsichtlich der Papierberge verweist von Oetinger einerseits auf ökologisches Papier. Dieses könne man inzwischen statt des speziellen Thermopapiers kaufen. "Ideal wäre aber, wenn man auf einen elektronischen Bon umsteigen würde, was ja auch teilweise schon angeboten wird." Das befürwortet auch das Bundesfinanzministerium und verweist auf neue Technologien, durch die kein Papierbeleg mehr notwendig sei. Dabei haben Kunden die Möglichkeit, durch das Abscannen eines Barcodes einen elektronischen Beleg direkt auf das Smartphone zu erhalten.
Laut Bäckermeister Kleinbauer haben sich diese Art von Belegen aber beim Kunden bislang nicht durchgesetzt. Kaum einer wolle den elektronischen Bon. Zudem hätten viele Bäckereien die zusätzliche Umstellung wegen Corona aus finanziellen Gründen gescheut. Er hofft deshalb, dass die Bonpflicht vielleicht doch irgendwann wieder abgeschafft wird. So lange wird es wohl weiter bei Tonnen von Papierbergen bleiben in den Geschäften. Auch wenn Corona alles überschattet: Die Bonpflicht sorgt auch ein Jahr später immer noch ein bisschen für Ärger.