Angriffe auf Zugpersonal "Manchmal kann es brenzlig werden"
Die Zahl der verbalen und tätlichen Angriffe auf Zugbegleitende nimmt offenbar weiter zu. Viele Bahnunternehmen reagieren daher mit Schutzmaßnahmen. Unterwegs mit einer Zugbegleiterin
"Na gucken Sie mal in Ruhe nach Ihrer Fahrkarte, ich gehe schon mal ein Stück weiter." Es ist 10 Uhr am Freitagmorgen. Zum zweiten Mal geht es für Heike Hoffman heute auf die Strecke Frankfurt/Oder - Brandenburg an der Havel und zurück. Seit zwei Jahren ist die 59-Jährige Zugbegleiterin bei der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (ODEG).
Eigentlich mag sie ihren Job, den Kontakt zu den Bahnreisenden. Auch wenn, wie jetzt, mal wieder Aufräumen im Eiltempo dran ist. Der erste Zug heute früh um 6 Uhr war wie immer voll. Die Reisenden haben Spuren hinterlassen. "Es kommt auf die Tageszeiten an. Es kommt aufs Wochenende an. Und eben wo Festivals sind. Dann sehen die Züge manchmal katastrophal aus."
Frust bei Verspätungen
Und nicht nur der Zustand der Züge ist dann erschreckend, auch der Zustand mancher Fahrgäste. Heike Hoffmann verschweigt nicht, dass ihr Beruf auch Schattenseiten hat. "Gerade nachts oder am Wochenende, wenn viele Angetrunkene im Zug sind, kann es brenzlig werden". Manchmal habe sie dann sogar auf die Fahrkarten-Kontrolle verzichtet.
Verbal unangenehm wird es auch oft bei Zugausfällen oder Bauarbeiten. Den Frust der Reisenden würden in erster Linie die Zugbegleiter erleben. Hoffmann wurde noch nie tätlich angegriffen. Zum Glück, fügt sie hinzu. Aber immer wieder mal habe sie Anfeindungen erlebt.
Angriffe nehmen bundesweit zu
Die ODEG bestätigt das Problem, möchte aber keine spezifischen Zahlen zu Übergriffen oder aggressivem Verhalten veröffentlichen. "Wir behandeln entsprechende Vorfälle intern und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden", heißt es aus der Kommunikationsabteilung des Unternehmens.
Für andere Privatbahnen meldet das Eisenbahnunternehmen Transdev bereits für die erste Hälfte dieses Jahres mehr Übergriffe: 189 Mal schon mussten Bahn-Mitarbeitende verbale Anfeindungen ertragen, 145 Mal gab es Handgreiflichkeiten. Im 2022 waren es im Bahnbereich insgesamt 294 verbale und 170 tätliche Angriffe.
Die Deutsche Bahn erklärt, genaue Zahlen gebe es für 2023 noch nicht. In 2022 aber wurden insgesamt rund 21 Prozent mehr Übergriffe auf DB-Mitarbeitende gemeldet als im Jahr davor, so eine Bahnsprecherin. Insgesamt gab es somit im Vorjahr 3138 Fälle von Gewalt. Die Hälfte der Angriffe betraf dabei das Zugpersonal im Regionalverkehr.
Schutzmaßnahmen werden verstärkt
Viele Eisenbahnunternehmen haben mittlerweile auf die Übergriffe reagiert. Bei der Deutschen Bahn setzt man verstärkt auf technische Lösungen: Beispielsweise tragen seit Anfang Februar - auf freiwilliger Basis - die Zugbegleiterinnen und -begleiter auf der Schwarzwaldbahn Bodycams. Zudem habe man fast 50.000 Kameras installiert, die die Innenräume von fast drei Viertel aller Nahverkehrs- und S-Bahnzüge im Blick haben.
Die ODEG arbeitet seit wenigen Wochen auf einigen Strecken mit Sicherheitsdiensten. Auch Hoffmann hat zu späterer Stunde jetzt oft ihre Beschützer dabei. Die Security empfindet sie als eine Verbesserung. "Man fühlt sich einfach sicherer." Die Fahrkartenkontrolle gehe so etwas entspannter vonstatten.
"Heute war wirklich alles ruhig. Keine schwierige Situation", fasst sie zusammen. "Einen schönen guten Tag", sagt Hoffmann abschließend. Sie hat nach acht Stunden Arbeit nun Feierabend. Morgen ist die Zugbegleiterin dann wieder zwischen Frankfurt Oder und Brandenburg an der Havel im RE1 anzutreffen.