Fernverkehr 2022 Die Bahn kommt - aber oft zu spät
Bauarbeiten, hohe Auslastung, Sabotage - für Kundinnen und Kunden der Bahn geht ein besonders schwieriges Jahr zu Ende. Im Fernverkehr waren bis November im Schnitt nur rund 65 Prozent der Züge pünktlich.
Die Pünktlichkeitsbilanz bei der Deutschen Bahn dürfte für das laufende Jahr besonders schlecht ausfallen: Im Fernverkehr waren von Januar bis November nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP im Schnitt nur 65,6 Prozent der Züge pünktlich - in den Sommermonaten Juli bis August lag die Quote sogar jeweils bei unter 60 Prozent.
"Die Pünktlichkeitsquoten der Bahn haben ein historisches Tief erreicht", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU), der "Rheinischen Post". Die Zeitung zitiert aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Unionsfraktion. Demnach ist die aktuelle Pünktlichkeitsentwicklung nach Auffassung der Bundesregierung "nicht zufriedenstellend". In manchen Regionen sei die Pünktlicheitsquote zeitweise unter 50 Prozent gefallen.
Verspätungen vor allem im Sommer
Insbesondere im Sommer waren Züge häufig verspätet: In den Monaten Juni, Juli und August fiel die Pünktlichkeitsquote nach Angaben auf der Internetseite der Deutschen Bahn im Fernverkehr auf jeweils unter 60 Prozent. Züge gelten dann als pünktlich, wenn sie mit weniger als sechs Minuten Verspätung am Ziel ankommen.
In den drei Sommermonaten war mehr als jeder fünfte Fernzug mehr als 15 Minuten zu spät. Im September und Oktober waren dann zwar mehr Züge pünktlich unterwegs, der Trend kehrte sich im November jedoch wieder um.
Bauarbeiten, Sabotage, Unfall
"Die sehr hohe Auslastung des Netzes und intensive Bautätigkeit kombiniert mit externen Störfaktoren - wie die Sabotage von Infrastruktur und die mehrwöchige Sperrung einer Hauptmagistrale des Schienenverkehrs - haben in diesem Herbst die Pünktlichkeit deutlich nach unten gezogen", sagte ein Bahnsprecher der Nachrichtenagentur AFP.
Im Oktober hatten Unbekannte im nordrhein-westfälischen Herne und in Berlin Glasfaserkabel durchtrennt. Das dadurch zusammengebrochene Funknetz legte den Zugverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands über Stunden lahm.
Im November kollidierten bei Gifhorn dann zwei Güterzüge, es folgte eine wochenlange Sperrung zwischen Berlin und Hannover. Für Dezember liegt noch keine Pünktlichkeitsquote vor, aber allein wegen dieser Streckensperrung bis Mitte Dezember ist aber wohl nicht mit einer Verbesserung zu rechnen.
"In den letzten Jahren sträflich vernachlässigt"
"So wie es ist, kann es nicht bleiben", sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) der "Bild"-Zeitung. Der Bahnvorstand müsse geplante Reformen nun rasch umsetzen. Der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar sagte: "Die Schiene hat viel aufzuholen, was in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt wurde".
Dass die Bahn ihr Pünktlichkeitsziel 2022 nicht erreichen werde, hatte Bahnchef Richard Lutz bereits zu Anfang des Monats deutlich gemacht. Dem "Tagesspiegel" sagte er, dass in diesem Jahr weniger als 70 Prozent der Fernzüge pünktlich würden. "Für 2023 haben wir uns deutlich über 70 Prozent vorgenommen." Die Bahn hatte sich allerdings selbst ein Ziel von 80 Prozent gesetzt.
Dem "The Pioneer" zufolge sollen Bonuszahlungen für das Topmanagement der Deutschen Bahn ab dem kommenden Jahr an die Pünktlichkeit der Züge gekoppelt werden. Der Vorstand soll nur dann Boni erhalten, wenn mehr als drei Viertel der Fernzüge pünktlich sind.