Streik in Griechenland Wut, Resignation und eine Republik Lasithistan
Mit landesweiten Streiks protestieren Tausende Griechen erneut gegen den Sparkurs der Regierung. Sie laufen Sturm gegen Kürzungen und Kündigungen. Die Polizei fürchtet, dass die Wut in Gewalt münden könnte. Auf Kreta wählten die Demonstranten diesmal einen ganz anderen Weg.
Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Alle Ämter bleiben geschlossen, auch die staatlichen Schulen. Eisenbahnen und viele Fähren fahren nicht. Krankenhausärzte behandeln nur Notfälle. Tausende Griechen sind dem Streikaufruf der Gewerkschaften gefolgt. Sie protestieren damit gegen die Lohnkürzungen und die Entlassungen im öffentlichen Dienst.
"Es gibt nur eine Lösung", sagt ein Mann in Athen, "die unfähigen Typen in der Regierung müssen verschwinden!" Ein anderer Streikender meint: "Die Geduld der Leute ist am Ende. Ich fürchte, irgendwann wird das in Gewalt enden." Damit diese Gewalt nicht schon heute ausbricht, zog die Polizei mehrere Tausend Einsatzkräfte in der Athener Innenstadt zusammen.
Große Wut auf die Regierung
Die Wut auf die Regierung ist groß. "Ein Grundschullehrer verdient nur noch 629 Euro im Monat - wovon soll der leben?", fragt der Chef der Lehrergewerkschaft, Christos Papachristos. Die Streikenden protestieren gegen Lohnkürzungen und gegen Entlassungen. Diese Sparpolitik verschärfe die Krise nur, sagt ein Gewerkschafter in Athen. In der Tat steigt die Arbeitslosigkeit in Griechenland immer weiter an und wird in diesem Jahr vermutlich 30 Prozent überschreiten.
Die Regierung sieht dennoch keine Alternative zum Sparkurs. Nur so könne die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig werden, nur so gebe es eine Zukunft, sagt Ministerpräsident Antonis Samaras. Und es gibt durchaus viele Griechen, die hinter dem Ministerpräsidenten stehen und über den Streik nur den Kopf schütteln. "Das bringt doch alles nichts. Die werden nichts ändern", meint ein Rentner. "Es gibt nur den einen Weg."
"Republik Lasithistan" ausgerufen
Am Nachmittag aber gehört die Straße den Demonstranten. Nicht nur in Athen und in Thessaloniki versammeln sich die Streikenden, sondern auch auf der Insel Kreta. Dort erklärte sich der Osten der Insel heute symbolisch für unabhängig und rief die "Republik Lasithistan" aus; die Provinz dort heißt Lasithi.
An der Provinzgrenze halten die Demonstranten Autofahrer an und verteilen Pässe der "Republik Lasithistan". Einer von ihnen erklärt: "Lasithi kämpft heute gegen die Sparpolitik. Wir wollen aus diesem Sumpf herauskommen. Wir wollen wieder werden, was wir waren. Wir wollen wieder das stolze Lasithi werden."
Geschäfte trotz des Generalstreiks geöffnet
Die Gewerkschaft nennt die landesweiten Proteste einen "Generalstreik". Aber Geschäfte und Restaurants sind offen, auch viele Banken. Sogar die U-Bahn in Athen fährt nach Plan. Denn nach dem neuntägigen U-Bahn-Streik im vergangenen Monat hatte die Regierung mit einer Art Notstandsmaßnahme U-Bahn-Fahrern verboten, innerhalb der nächsten 14 Monate zu streiken. Wer es doch tut, bekommt sofort die Kündigung.
Zwei U-Bahnhöfe in der Athener Innenstadt sind am Nachmittag dennoch gesperrt, nämlich die Stationen in der Nähe der großen Protestdemonstrationen. Die Polizei will verhindern, dass es am Rande der Kundgebungen zu Krawallen kommt. Wenn die U-Bahn-Eingänge geschlossen sind, kann sie die Menschenmassen besser überwachen.