Hintergrund

Diskussion über griechische Staatsinsolvenz "Es gibt kein Recht, das so etwas erlaubt"

Stand: 23.09.2011 09:36 Uhr

Eurobonds, Schuldenschnitt, geordnete Insolvenz - im Zusammenhang mit Griechenlands Schuldenkrise kursiert eine Fülle von Begriffen. Mittlerweile wird eine Staatspleite Griechenlands nicht mehr ausgeschlossen. Selbst der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos zieht jetzt offenbar einen Schuldenschnitt in Betracht. Doch Tatsache ist: Bisher fehlt jeder Rahmen dafür, nicht nur juristisch. tagesschau.de fasst die Probleme zusammen und stellt Lösungsansätze vor.

Von Oliver Feldforth, HR

Es geht ein Gespenst um in Europa - es heißt Staatsinsolvenz. Inzwischen zankt sich auch die Berliner Koalition darüber, ob man Griechenland nicht einfach pleite gehen lassen sollte. Doch niemand, auch nicht auf der Regierungsbank, scheint wirklich zu wissen, wie das konkret funktionieren könnte und welche Konsequenzen eine Insolvenz Griechenlands hätte.

Das Regelwerk fehlt

Deutschlands bekanntester Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg hat Karstadt mit einer geordneten Insolvenz zumindest vorläufig gerettet. Er bringt es auf den Punkt: "Eine Insolvenz ist eine staatliche Zwangsvollstreckung", sagt er dem ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus, "und es gibt unter Staaten kein übergeordnetes Recht, das so etwas erlaubt."

Um dieses fehlende Regelwerk zu schaffen, müssten die EU-Verträge geändert werden. Das wäre aber das Bohren wahrlich dicker Bretter. Angela Merkel betont immer wieder, dazu bräuchte es mindestens zwei Jahre. Diese Zeitspanne sei realistisch, meint Christoph Schalast, Professor für Wirtschafts- und Europarecht an der Frankfurt School of Finance and Management. Sehr viel schneller sei ein Gesamtinsolvenzplan zu haben. Das sei eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen Griechenland und den anderen Euro-Staaten. Darin könnte man eine Umschuldung, also einen Teilverzicht der Gläubiger vereinbaren. Aber, so Schalast, notwendig sei dann auch eine Restrukturierung des Landes, vermutlich über einen Treuhandfonds mit einer etwa dreißigjährigen Laufzeit. Dafür bräuchte es auch keinen Ausstieg des angeschlagenen Landes aus der Euro-Zone. Er wäre möglich, müsste dann aber freiwillig sein, meint der Jurist.

Insolvenzplan ohne Vertragsänderung möglich

Wie ein solcher Insolvenzplan genau ausgestaltet sein könnte, darüber hat sich der europäische "Think Tank" Bruegel Gedanken gemacht. Um eine staatliche Insolvenz zu bewältigen, fordern die Ökonomen aus Brüssel drei Instanzen: Zum einen eine rechtliche Instanz - sie müsste das Insolvenzverfahren eröffnen. Dafür käme der europäische Gerichtshof in Frage. Daneben sei eine wirtschaftliche Instanz erforderlich. Sie müsste die Insolvenz durchführen, also die Verständigung zwischen Schuldnern und Gläubigern erreichen. Das könnten EU-Kommission, EZB, aber auch private Berater erreichen. Schließlich werde eine finanzielle Instanz benötigt, die in der Übergangszeit die Liquidität Griechenlands sicherstellen müsste. Das könnte der neu geschaffene europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) stemmen.

Für all das wäre ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro-Verbund nicht erforderlich - für den Verbleib gibt es gute Gründe. Bekämen die Griechen ihre Drachme zurück, wären sie zwar wieder international konkurrenzfähiger. Allerdings wären sie dann auch endgültig damit überfordert, ihre in Euro verbliebenen Schulden zu bezahlen.

Neue Geldpolitik statt Insolvenz-Diskussion?

Bankenfachmann Prof. Michael Grote sieht aber auch immer noch die Chance, ohne Euro-Ausstieg und Insolvenz Griechenlands aus der Krise herauszukommen. Die Schulden wären nicht das alles erdrückende Problem, wenn Griechenland an den eigentlich niedrigen Zinsen des Euro-Raums teilhaben könnte, so Grote. Dann könnte ein langfristiger Auf- und Umbauplan die Griechen wieder in die Spur bringen.

Dafür müsste die Europäische Zentralbank aber allen Spekulanten klar machen, dass sie griechische Staatsanleihen auch künftig kaufen wird. Die glaubhafte Vorankündigung würde die Märkte beruhigen. Großbritannien praktiziere diese Politik mit seiner Bank of England bereits mit Erfolg, erklärt Grote. Das ermögliche es der britischen Regierung, Staatsanleihen mit niedrigen Zinssätzen zu platzieren.

Bisher sei der Weg der Euro-Zone ineffizient und werde verpuffen, so Grote. Denn es gibt kein eindeutiges Signal der EZB, wie sie in Zukunft mit Staatsanleihen schwacher Länder umgehen will. Darüber wird im Euro-Raum heftig gestritten.

Vielleicht braucht Europa ja gar nicht so dringend eine Insolvenzordnung für Staaten, sondern vielmehr einen ausgewiesenen Paradigmenwechsel in der Geldpolitik.