Afrikanische Schweinepest Vor jeder Ernte muss die Drohne fliegen
Zäune, Jagdverbote, Drohnen und strenge Ernteauflagen für Landwirte sollen die weitere Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest verhindern. Doch die Zahl der infizierten Wildschweine steigt.
Eigentlich ist gerade Erntezeit auf dem Hof von Landwirt Wolfgang Dörr. Doch seit Mitte Juni ist bei ihm in Trebur im südhessischen Landkreis Groß-Gerau nichts mehr, wie es war: Da wurde in Hessen offiziell das erste Wildschwein mit Afrikanischer Schweinepest gefunden. Seitdem muss Bauer Dörr seine Felder vor jeder Ernte mit einer Drohne abfliegen lassen. Die sucht mit Wärmebildkameras nach Kadavern - oder noch lebenden Wildschweinen.
Die Suche mit Drohnen und speziellen Kadaversuchhunden ist Teil der Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest. Sie sind Vorschrift in der Schutzzone rund um die Funde von infizierten Wildschweinen - den sogenannten Restriktionszonen.
In denen gilt zudem Leinenpflicht für Hunde und ein Jagdverbot, rundherum werden Elektrozäune aufgestellt. Das alles soll verhindern, dass möglicherweise infizierte Tiere aufgescheucht werden und in bislang unverseuchte Gebiete weiterziehen.
Ernte muss monatelang gelagert werden
Für die Landwirte bedeutet das viel Aufwand: Die Drohnenflüge muss Dörr beim Landkreis beantragen. Innerhalb von zwölf Stunden nach dem Drohnenflug müssen die Landwirte das Gebiet ernten - da muss dann auch das Wetter mitspielen. Nach erfolgreicher Ernte ist die Extraarbeit nicht vorbei: Die Landwirte können ihre Ernte zwar verkaufen, aber sie muss mindestens sechs Monate lagern, bevor sie verwendet werden kann. Gras, Heu, Stroh aus einer Restriktionszone dürfen generell nicht für Schweine verwendet werden.
Falls Einnahmen für die Ernte infolge der Seuchenschutzmaßnahmen wegbrechen, gibt es laut Hessischem Bauernverband bislang keine Ausgleichzahlungen. Auch die Landwirte, die vorbeugend für Seuchenschutz in ihren Schweinemastbetrieben sorgen - und derzeit ihre Tiere weder züchten noch schlachten dürfen -, bekämen kein Geld aus der Tierseuchenkasse und von den Bundesländern.
Sorge in Schweinemastbetrieben
In Mastbetrieben mit infizierten Hausschweinen hingegen gibt es Geld für die materiellen Verluste - für die Tiere, die bei Seuchenbefall getötet werden müssen. Bislang gibt es solche Fälle nur vereinzelt in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Baden-Württemberg.
Und jetzt in Hessen - bei einem kleinen Mastbetrieb in Biebesheim am Rhein: Dort war die Afrikanische Schweinepest Anfang vergangener Woche angekommen, eines der neun Hausschweine war positiv - alle Tiere wurden daraufhin unter tierärztlicher Aufsicht gekeult.
Schutzzone von zehn Kilometern
Das hessische Landwirtschaftsministerium zieht umgehend eine Schutzzone rund um den Betrieb: Innerhalb eines Radius von zehn Kilometern ist der Handel mit Schweinen und die Schlachtung untersagt, Produkte aus Schweinefleisch dürfen nicht vermarktet werden.
Das Ausmaß des Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest in Hessen ist noch völlig unklar. Vergangene Woche waren 21 Fälle bei Wildschweinen in der Restriktionszone im südhessischen Landkreis Groß-Gerau bestätigt. Das hessische Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass in den kommenden Wochen und Monaten die Anzahl der positiven Fälle noch deutlich ansteigen wird. In angrenzenden Gebieten in Rheinland-Pfalz sind bereits zwei Fälle bei Wildschweinen bestätigt.
Für Menschen ungefährlich
Die Afrikanische Schweinepest ist keine neue Tierseuche: Sie wurde erstmals 1921 in Kenia entdeckt. Seit 2007 gibt es Fälle in Europa. Für Wild- und Hausschweine ist die Viruserkrankung unheilbar und fast immer tödlich. Es existiert keine Impfung. Für den Menschen und andere Tierarten ist sie ungefährlich - selbst bei Verzehr von infizierten Fleisch- oder Wurstprodukten.
Das Virus kann sich darin monatelang halten, tiefgekühlt sogar jahrelang. Die Krankheit überträgt sich direkt von Tier zu Tier - über den Kontakt mit Blut oder Kadavern von infizierten Tieren. Oder indirekt über verseuchte Gegenstände wie landwirtschaftlich genutzte Geräte, Jagdzubehör, Kleidungsstücke, Schuhe und Futter oder Lebensmittel.
In Deutschland trat die Afrikanische Schweinepest erstmals im Herbst 2020 auf - bei einem Wildschwein in Brandenburg. Nachgewiesene Fälle gab es laut dem Tierseucheninformationssystem des Bundeslandwirtschaftsministeriums seitdem auch in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Aktuell treten Fälle in Hessen und Rheinland-Pfalz und Sachsen auf.