Datenschutzbeauftragter Schaar zur Telekom-Affäre "Datenspeicherung ist ein Sicherheitsrisiko"
Die Bespitzelungs-Affäre bei der Telekom hat auch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz auf den Plan gerufen. Sollte sich bewahrheiten, dass der Konzern eigene Mitarbeiter, Aufsichtsgremien und Journalisten überwachen ließ, dann könnte dies sogar strafrechtliche Konsequenzen haben. tagesschau.de sprach mit Schaar über die Telekom-Affäre und Lücken im Datenschutzrecht.
tagesschau.de: Wie bewerten Sie, dass die Telekom offenbar über Jahre eigene Mitarbeiter, Gremien und Journalisten systematisch hat überwachen lassen?
Peter Schaar: Ich kenne ja bisher nur die Presseberichte, habe aber schon Kontakt mit dem Datenschutzbeauftragten der Telekom aufgenommen. Wir sind dabei, formelle Ermittlungen einzuleiten, stehen aber noch am Anfang der Aufklärung. Klar und unbestritten ist aber, dass hier Verkehrsdaten der Telekommunikation für einen unzulässigen Zweck genutzt worden sind. Es muss geprüft werden, ob es sich um Daten handelt, die aus dem internen System der Telekom stammen – auch das wäre sehr kritisch, oder ob dabei sogar Daten herangezogen worden sind, die die Telekom als Anbieter eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes gewonnen hat. Wenn letzteres sich erhärten lassen sollte, wäre es ein einmaliger Vorgang. Es gibt in Deutschland keinen entsprechenden Präzedenzfall dafür, dass ein Telekommunikationsanbieter, noch dazu ein so bedeutender, der in bestimmten Sparten ein Quasi-Monopolist ist, sich nicht an die Regeln gehalten hat.
tagesschau.de: Müsste das nicht strafrechtliche Konsequenzen haben?
Schaar: Paragraph 206 des Strafgesetzbuchs stellt unter Strafe, wenn jemand, der einen Telekommunikationsdienst erbringt, diese Informationen unbefugt Dritten offenbart. Wenn die Telekom – was ja unbestritten ist, solche Daten an eine Firma zur Auswertung gegeben hat und das unbefugt war, kann das mit Haftstrafe geahndet werden. Aber das habe ich nicht zu beurteilen, das ist Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Ich habe veranlasst, dass Kontakt zur Staatsanwaltschaft Bonn aufgenommen wird.
"Datenvermeidung braucht höheren Stellenwert"
tagesschau.de: Haben Sie eine Erklärung dafür, wie man dazu kommt, eigene Mitarbeiter und Kunden zu bespitzeln?
Schaar: Das möchte ich noch nicht bewerten. Aber man kann feststellen: Die unglaubliche Menge an digitalen Daten, die anfallen, weckt offenbar Begehrlichkeiten – selbst bei Institutionen, die für sich genommen seriös sind. Das heißt: Datensparsamkeit, Datenvermeidung muss einen sehr viel größeren Stellenwert erhalten. Eine Sicherheitspolitik, die sich darauf konzentriert, immer mehr Daten anzuhäufen, ist selbst ein Sicherheitsrisiko. Denken Sie nur an die Vorratsdatenspeicherung.
Wir brauchen mehr Transparenz. Unternehmen, bei denen Datenschutzverstöße vorgefallen sind, müssen verpflichtet werden, diese Tatsache den Betroffenen und der Öffentlichkeit mitzuteilen. Eine entsprechende Informationspflicht gibt es in den meisten US-Bundesstaaten. Auch in Brüssel wird über ein solches Vorhaben diskutiert, was ich sehr befürworte.
"Bußgelder können aus Portokasse bezahlt werden"
tagesschau.de: Brauchen wir schärfere Gesetze?
Schaar: Die Verfolgung von Datenschutzverstößen muss erleichtert werden. Die Datenschutzbehörden müssen schärfere Sanktionsmöglichkeiten bekommen. Wir haben im allgemeinen Datenschutzrecht nur eine Schadensersatzsumme von maximal 250.000 Euro, im Telekommunikationsbereich sind es für entsprechende Verstöße 300.000 Euro. Das reicht bei weitem nicht aus und ist auch im unterem Bereich dessen, was andere europäische Länder an Strafen erheben. Der Bußgeldrahmen muss auch deshalb deutlich angehoben werden, um klar zu machen, dass es sich um ernste Vorgänge handelt. Es kann nicht sein, dass große Unternehmen den Datenschutz schon deshalb nicht ernst nehmen müssen, weil sie gegebenenfalls die Bußgelder aus der Portokasse bezahlen können.
tagesschau.de: Zeigt dieser Vorfall nicht auch, dass gerade der betriebliche Datenschutz weiter eine Schwachstelle ist?
Schaar: Wir haben offensichtlich bei manchen Verantwortungsträgern keine ausgeprägte Datenschutzkultur. Das ist ein generelles Problem. Hier eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen und diese auch durch strafrechtliche Sanktionen zu untermauern, ist dringend erforderlich.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de