Ein Polizist ist von hinten zu sehen, er trägt eine Weste mit der Aufschrift Polizei.
hintergrund

Polizei und Feuerwehr Ruhestand mit 60 trotz Personalmangels

Stand: 05.05.2024 15:32 Uhr

In bestimmten Berufen ist ein Pensionseintritt mit 60 Jahren möglich: zum Beispiel bei der Polizei oder Feuerwehr. Experten halten das nicht mehr für zeitgemäß und fordern eine Anhebung des Pensionsalters für Beamte.

Von Thomas Eckert, NDR

"Manche Betroffene von sexualisierter Gewalt bereuen es, dass sie Anzeige erstattet haben", so das ernüchternde Fazit von Psychologin Sarah Danielewski vom Frauennotruf Hamburg. In der Beratungsstelle unterstützen sie und ihre Kolleginnen Ratsuchende die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Immer wieder jedoch müssen Betroffene und ihre Beraterinnen erleben, dass Ermittlungen gegen die Täter nicht vorankommen, weil die zuständige Abteilung im Landeskriminalamt Hamburg überlastet ist.

Es fehle erfahrenes Personal, kritisiert der innenpolitische Sprecher der Hamburger CDU, Dennis Gladiator. Die Folge: Ermittlungen kommen nicht voran, Fälle werden wegen Überlastung zurückgestellt. Im September 2023 lagen allein im Bereich der für Sexualdelikte zuständigen Abteilung LKA 42 im Landeskriminalamt Hamburg 594 Verfahren auf Eis. Ein Skandal, so Gladiator: "Da gibt es nicht nur Aktenhalden, die sich auftürmen, sondern Verfahren laufen auch in die Verjährung, weil das LKA nicht hinterherkommt."

Frühe Pensionseintritte bei Feuerwehr und Polizei

Thomas Eckert, NDR, Plusminus, 24.04.2024 21:45 Uhr

Hamburger Polizisten mit 60 in Pension

Personal werde ständig zwischen den einzelnen Abteilungen hin- und hergeschoben, fachfremde Ermittlerinnen und Ermittler aus anderen Deliktsbereichen müssten aushelfen, berichten Insider. Trotzdem leistet sich die Stadt Hamburg den Luxus, ihre Polizeibeamten voraussetzungslos und abschlagsfrei mit 60 Jahren in den Ruhestand zu schicken - so früh wie kein anderes Bundesland. In den meisten Bundesländern liegt die Altersgrenze im mittleren Dienst und in der Laufbahngruppe 1 bei 62 Jahren. Von der Hamburger Innenbehörde heißt es dazu, eine Anpassung dieser Altersgrenze werde derzeit nicht angestrebt.

Aber nicht nur Polizisten, auch die Beamtinnen und Beamten der Berufsfeuerwehren profitieren von großzügigen Ruhestandsregeln. In den meisten Bundesländern können Feuerwehrbeamte im Einsatzdienst bereits mit 60 Jahren regulär in den Ruhestand treten - nur in fünf Ländern liegt die Altersgrenze bei 62. Zum Vergleich: Im März 2007 hat der Bundestag die schrittweise Anhebung des regulären Renteneinstiegsalters ab dem Jahr 2012 beschlossen. Dieses liegt ab 2029 dann bei 67 Jahren.

Länger arbeiten trotz gleicher Tätigkeit

Zu welchem Ungleichgewicht dies führt, zeigt sich bei den Berufsfeuerwehren am deutlichsten. In vielen Großstädten, in denen es eine Berufsfeuerwehr gibt, sind diese dort auch für den Rettungsdienst zuständig. Was vielen Menschen nicht klar ist: Die Einsätze auf Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeugen machen den Hauptteil der Arbeit aus. So sind in Hamburg fast 90 Prozent der Alarmierungen Rettungsdiensteinsätze.

Um diese Einsätze zu bewältigen, beschäftigen die Berufsfeuerwehren neben Beamten auch Notfallsanitäter als sozialversicherungspflichtige Angestellte. So kann es sein, dass auf einem Rettungswagen mit zwei Einsatzkräften neben einem Beamten ein Angestellter sitzt: Beide haben die selbe Ausbildung als Notfallsanitäter - doch während der Beamte mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen kann, muss der Angestellte bis 67 arbeiten.

Neue Regelungen für Feuerwehrbeamte in NRW?

Das Land Nordrhein-Westfalen plant derzeit eine Anhebung der Altersgrenze für Feuerwehrbeamte um ein bis zwei Jahre, auch um frühzeitig einem drohenden Personalmangel zu begegnen. Der demografische Wandel, so das zuständige Innenministerium, habe es in den vergangenen Jahren schwerer gemacht, qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für die Feuerwehr zu finden.

Bei den Betroffenen jedoch sorgt selbst diese moderate Anhebung um ein bis zwei Jahre für großen Ärger. Sie verweisen auf die Belastungen durch den Schichtdienst oder die 48-Stunden-Woche. Doch mit solchen Belastungen sind nicht nur Feuerwehrbeamte konfrontiert. Auch Pflegekräfte in Krankenhäusern und Seniorenheimen etwa arbeiten im Schichtdienst. 48-Stunden-Wochen sind auch bei Rettungsdienstmitarbeitern vielerorts üblich.

Rentenexperte fordert längere Lebensarbeitszeit

Im Zuge der Diskussionen über die zukünftige Gestaltung des Rentensystems in Deutschland müssen auch die Privilegien der Beamten auf den Prüfstand, fordert der Bund der Steuerzahler. Zwar müssen etwa Verwaltungsbeamte, Lehrer an Schulen oder Hochschulen zukünftig wie Angestellte bis 67 arbeiten, warum aber bestimmte Beamtengruppen von einer Erhöhung der Altersgrenze nicht betroffen sein sollen, sei nicht nachvollziehbar.

Der Staat, so Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschland, kann es sich nicht leisten, auf gut ausgebildete Beamte zu verzichten: "Wenn es Bereiche gibt, wo es körperlich einfach nicht mehr zumutbar ist, dann muss man eben aber auch andere Lösungen diskutieren. Das erwartet der Staat ja auch von der Privatwirtschaft."

Ähnlich sieht dies der "Wirtschaftsweise" und Rentenexperte Martin Werding. Er verweist auf die gestiegene Lebenserwartung und die damit einhergehende längere Rentenlaufzeit: "In den 1970er-Jahren betrug die durchschnittliche Rentenlaufzeit zehn Jahre, heute sind es 20 Jahre." Und bei den Beamten sei es so, dass diese sogar im Mittel noch zwei Jahre länger leben. "Da ist das Mittel der Wahl: eine moderate Heraufsetzung der Regelaltersgrenze im Rentensystem und Streichung dieser Sonderregelungen für bestimmte Beamtengruppen", so Werding.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete WDR 5 im "Tagesgespräch" am 30. November 2023 um 12:10 Uhr.