Robo-Advisors Wenn der Roboter das Geld anlegt
Robo-Advisor legen automatisiert Geld an. Finanzexperten warnen vor zu großen Rendite-Erwartungen: Eine maßgeschneiderte Vermögensverwaltung könnten die Unternehmen oft nicht bieten.
Die Mitglieder des "Frankfurt Finance Club" sind sich sicher: Robo-Advisors sind eine sinnvolle Möglichkeit der Geldanlage. Der Club ist eine Art studentischer Börsen-Stammtisch an der örtlichen Fachhochschule, der regelmäßig Vorträge und Workshops organisiert. Manche Studenten haben schon selber Erfahrungen mit Robo-Advisors gemacht.
"Ich finde, die Hemmschwelle wird einfach super herabgesenkt, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen", meint zum Beispiel Simon Pausewang. "Ich finde es eigentlich sehr gut, gerade wenn man noch kein Vorwissen über den Kapitalmarkt hat", ergänzt sein Kommilitone Jeremias Fricke. Die Tatsache, dass eine Maschine ohne Gefühle die Geldanlage steuert, stört Moritz Kaltenbrunner überhaupt nicht: "Das kann natürlich auch genau der Vorteil gegenüber Menschen sein, die klassischerweise eben Anlageprodukte managen."
Algorithmen steuern die Geldanlage
Das Funktionsprinzip der sogenannten Robo-Advisors - eine Bezeichnung, die sich aus den englischen Wörtern Robot (Roboter) und Advisor (Berater) zusammensetzt - ist aus Sicht des Anlegers recht simpel: Er muss zunächst per App oder am PC ein paar Grundfragen zu Alter, Spar- und Anlageverhalten beantworten. Die Fragenkataloge nehmen meist nur ein paar Minuten in Anspruch.
Der Anbieter erstellt daraufhin ein persönliches Risikoprofil und eine Anlagestrategie, eröffnet für den Privatanleger ein Depot bei einer Partnerbank - und das Investieren kann beginnen. Möglich sind sowohl Einmalzahlungen als auch monatliche Sparraten, zum Beispiel ab 25 oder 50 Euro.
Wenig Aufwand, geringe Kosten
Die meisten Robo-Advisors investieren das Geld ihrer Kunden in kostengünstige ETF (exchange-traded Funds, börsengehandelte Index-Fonds). Je nach Entwicklung der Wertpapiere schichten die programmierten Algorithmen das Depot automatisch um, in der Branche wird dieser Vorgang "Rebalancing" genannt. Innerhalb eines Monats kann es so zu etlichen automatischen Käufen und Verkäufen von ETF-Fonds oder anderer Wertpapiere kommen.
Die Anbieter werben bei potenziellen Kunden mit niedrigen Kosten, meist unter ein Prozent der investierten Gesamtsumme. Das Ziel ist klar: Für den Anleger das Bestmögliche am Kapitalmarkt herausholen, bei geringem Risiko. "Wir versprechen aber niemandem eine Überrendite", sagt Olaf Zeitnitz, Mitbegründer von VisualVest, dem Robo-Advisor der Fondsgesellschaft Union Investment. "Es ist ein einfaches, solides System. Robo-Advisor generieren Standard-Renditen." Indem man verschiedene breitgestreute Anlagen, meist ETF, miteinander kombiniere, wolle man besser als die Einzelanlage abschneiden.
Die Nische wächst kräftig
Die Werbeversprechen der Robo-Advisors sind in den vergangenen Jahren offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen: Das von ihnen verwaltete Vermögen in Deutschland wächst deutlich. Waren es laut Daten von "Statista Digital Market Insights" im Jahre 2018 noch 1,8 Milliarden Euro in Deutschland, ist der Wert 2021 auf knapp 15,3 Milliarden Euro gestiegen. Im nächsten Jahr könnte laut Prognose die Marke von 30 Milliarden Euro erreicht werden.
Allerdings muss man die Relationen im Auge behalten: Das gesamte Vermögen, das die deutsche Investment-Branche in offenen Publikumsfonds verwaltet, lag im vergangenen Jahr laut Fondsverband BVI bei 1280 Milliarden Euro. Der Anteil der Robo-Advisor daran liegt also unter zwei Prozent.
Kein lukratives Geschäft
Eine Gelddruckmaschine scheint das Geschäftsmodell der Robo-Advisors momentan nicht zu sein. "Es ist sehr schwierig, in diesem Umfeld Geld zu verdienen, muss man eingestehen", sagt Olaf Zeitnitz. Viele Anbieter hätten Probleme, weil sie viel ins Marketing und in die Neukundengewinnung investieren müssten.
Sein Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern hat im Geschäftsjahr 2021 zwar einen Gewinn von rund einer Million Euro erzielt. Doch das Gros der Erträge stammt vom Mutterkonzern Union Investment - für Produkte, die VisualVest anderen Banken anbietet, das klassische B2B-Geschäft. Vom Privatkundengeschäft allein, also dem eigentlichen Robo-Advisor, könnte seine Firma nicht leben, so Zeitnitz.
Generelle statt individuelle Geldanlage
Für die Kunden wiederum stellt sich die Frage, was die Finanz-Roboter überhaupt leisten können. Andreas Oehler, Finanzwissenschaftler an der Universität Bamberg, will auch die möglichen Nachteile nicht unerwähnt lassen. Das fängt für ihn beim Fragenkatalog der Anbieter an.
Wichtige Details für eine umfassende Beratung würden nicht abgefragt: ob der Anleger verheiratet ist, eine Familie hat oder nicht, ob eine Betriebsrente oder Immobilienbesitz existiert oder ob man einen Kredit abbezahlen müsse. "Wenn ich eine Verschuldung habe, dann werden die wenigsten Robos drauf hinweisen, dass man vielleicht erst mal die Schulden zurückzahlen sollte, wenn möglich", so Oehler.
Finanzwissen vorausgesetzt
Auch die Werbebotschaft mancher Anbieter, dass man kein Finanzwissen brauche, um sein Geld über Robo-Advisors anzulegen, lässt Oehler nur bedingt gelten. Seiner Ansicht nach muss man den gut informierten Anleger voraussetzen, sonst könne dieser gar nicht entscheiden, welcher Anbieter der Richtige sei, welche ETF im Depot die Passenden sind. "Wenn ich einen geeigneten Robo finden will, brauche ich mindestens so viel Zeit, als ob ich selbst die Geldanlage in einfacher Weise tätige. Der Zeitaufwand beim Robo-Advisor ist eher höher", meint Oehler.
Laut seinen wissenschaftlichen Untersuchungen kann das häufige automatische Umschichten des Depots auch zu Lasten der Rendite gehen - wegen der Transaktionskosten. Wer sein Geld selber breit gestreut in ETF anlege, fahre mitunter besser. Vergangene Krisen an den Finanzmärkten hätten jedenfalls keinen Renditevorteil der Robo-Advisors offenbart. "Sehr viele Robos haben das nicht gut verkraftet, sondern weniger Rendite bei gleichem Risiko erzielt, als wenn man das selbst gemacht hätte", sagt der Finanzexperte.