Griechenland-Krise Merkel stellt Urteil von Ratingagenturen in Frage
Trotz Warnungen der Ratingagenturen will Kanzlerin Merkel die Banken beim nächsten Griechenland-Rettungspaket zur Kasse bitten. "Wir dürfen uns die Urteilsfähigkeit nicht nehmen lassen", sagte sie. Die Ratingagentur S&P hatte gestern gewarnt, die Beteiligung privater Gläubiger als Zahlungsausfall zu werten.
Trotz Warnungen der Ratingagenturen pocht Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen Beitrag der privaten Gläubiger bei der Rettung Griechenlands. "Es ist wichtig, dass wir uns die eigene Urteilsfähigkeit nicht wegnehmen lassen", sagte Merkel. Sie vertraue vor allem den Bewertungen von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF).
Die weltgrößte Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hatte am Vortag gewarnt, es werde die angestrebte freiwillige Beteiligung privater Gläubiger am zweiten griechischen Hilfspaket als Zahlungsausfall werten. In einem solchen Fall würde die Europäische Zentralbank (EZB) griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit akzeptieren. Die griechischen Banken können sich bei der EZB kein Geld mehr leihen und wären wohl sehr schnell pleite. Um dieses Szenario zu vermeiden, ist Europa darauf angewiesen, dass die Ratingagenturen bei dem Rettungsplan mitspielen.
"Wir werden alle nötigen Maßnahmen ergreifen, damit es nicht zu einem Zahlungsausfall kommt", versicherte der neue französische Finanzminister Francois Baroin. Am Mittwoch wird der von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann geführte Internationale Bankenverband (IIF) eine Sitzung in Paris zur Beteiligung der Privatgläubiger an den geplanten Griechenlandhilfen abhalten. Am selben Tag wird Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos in Berlin mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zusammenkommen.
Neues Rettungspaket in Arbeit
Die Politiker der Euro-Zone arbeiten derzeit mit Hochdruck an einem zweiten Rettungspaket für das klamme Griechenland, das den Kapitalbedarf bis 2014 decken und die privaten Gläubiger mit ins Boot holen soll. Die Euro-Finanzminister hatten am Wochenende die dringend benötigten zwölf Milliarden Euro für Griechenland aus einem ersten Rettungspaket freigegeben und das Land damit vorerst vor der Pleite bewahrt. Die nächste Tranche ist im September fällig. Bis dahin soll Klarheit über die mittelfristige Finanzierung herrschen: Es braucht weitere Hilfen im Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro. Der Bundestag wird wohl erst im September über das zweite Hilfspaket abstimmen.
Streit um Ratinagenturen
Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon forderte den Aufbau "unabhängiger europäischer Rating-Agenturen". Die Europäer müssten sich vom Diktat der US-Ratingagenturen frei machen, verlangte er in der "Passauer Neuen Presse". Der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Volker Wissing, widersprach: "Man sollte die Bedenken und Kritik der Ratingagenturen nicht vorschnell verteufeln, sondern versuchen, diese konstruktiv aufzugreifen", sagte er "Handelsblatt-Online".