Experten suchen nach Ausweg aus der Griechenland-Krise Tourismus, Schifffahrt und weitere Reformen
Die Euro-Finanzminister haben sich für die Freigabe der nächsten Tranche aus dem Hilfspaket für Griechenland entschieden. Doch wie soll das Land die Krise meistern? Experten setzen auf bewährte Geldquellen: Tourismus und die Schifffahrt. Sie fordern aber auch weitreichende Reformen.
Von Anna Koktsidou, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. in Athen
Der Direktor der Stiftung für Wirtschaftsstudien IOBE in Athen, Yannis Stornaras, lächelt und blickt weiterhin mit Optimismus in die Zukunft. "Wir werden es schaffen," erklärt Griechenlands Chefökonom und führt aus: "Griechenland hat ungeahnte Möglichkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien, im Tourismus, im Bereich der Gesundheit und in der Schifffahrt. Und warum sollten beispielsweise Europas Rentner nicht in Griechenland alt werden", fragt sich Stournaras. Dafür müsste man nur die entsprechende Infrastruktur aufbauen.
Um solche Ideen zu verwirklichen, müssten alle an einem Strang ziehen: die griechische Regierung, die Opposition, die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds IWF. Diese müssten einen längerfristigen Plan erarbeiten. Der habe bisher gefehlt, so Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen. Die Potenziale seien da, denn selbst mitten in der Krise seien die Exporte in manchen Bereichen gestiegen. Knapp sagt: "Alle Bereiche, in denen Griechenland traditionell stark ist, das sind vielfach die Lebensmittel, das sind durchaus auch industrielle Produkte, wie zum Beispiel Pharmazeutika und andere."
Verbesserungen bei vielen Problemen nötig
Griechenland müsse aber auch endlich seine Hausaufgaben machen, da sind sich Knapp und Stournaras einig: die Privatisierungen forcieren, die Steuerhinterziehung bekämpfen, die Bürokratie abbauen, den öffentlichen Dienst reformieren und den Arbeitsmarkt flexibler gestalten, beispielsweise mit Kurzarbeit-Modellen. Dann käme Geld in die Kassen und Arbeitsplätze würden entstehen.
Und auch die Frage, warum das bisher nicht geschehen ist, kann Stournaras beantworten: "Das politische System Griechenlands ist unreif. Die großen Parteien streiten sich über unwichtige Dinge, anstatt sich an einen Tisch zu setzen, und zu sehen in welchen Punkten sie sich einig sind, damit es weitergeht."
Ohne einen nationalen Konsens nützten die besten Programme nichts. Nur so könne man die Bevölkerung überzeugen. Diese aber sieht nur, wie sich ihr Geldbeutel von Tag zu Tag leert. Das Einkommen um bis zu 25 Prozent gesunken, die Arbeitslosigkeit auf 16 Prozent gestiegen. Soziale Spannungen könnten die Folge sein, das haben die Proteste und Krawalle der vergangenen Tage gezeigt.
Patient tot oder quicklebendig?
Der Patient Griechenland sei nach wie vor in Gefahr, so Martin Knapp: "Ich fürchte, wenn es so weitergeht, wird man sagen müssen: Operation gelungen, Patient tot."
Griechenland sei quicklebendig, widerspricht der Chefoptimist Stournaras. An der Wand des Büros hängen Abbildungen von Drachmenscheinen aus purem Gold. Darunter steht "Drachme - eine goldene Erinnerung". Könne dies auch die Zukunft sein? "Nein, nur Erinnerung. Um zu wissen, wie sie einmal ausgesehen hat," ist Stournaras überzeugt.