Tausende Arbeitsplätze in Gefahr Soll Opel Staatsbürgschaften bekommen?
Angesichts der Krise bei Opel und tausender gefährdeter Arbeitsplätze streitet die Politik, ob der Staat dem Autohersteller zu Hilfe eilen sollte. Der Riss geht quer durch die Parteien. Die EU warnte unterdessen vor unabgestimmten Aktionen.
29.000 Menschen arbeiten bei Opel – bislang, denn die Krise bei dem US-Mutterkonzern General Motors (GM) hat den deutschen Autoproduzenten voll erfasst. In der Folge stehen Jobs in den Werken von Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach in Frage. Mehr als 1,8 Milliarden Euro benötigt Opel nach eigenen Angaben, um eine Pleite abzuwenden. In mehreren Medienberichten ist sogar von bis zu 3,3, Milliarden Euro die Rede. Politiker debattieren, ob und gegebenenfalls wie Opel zu helfen wäre. Einige fordern Staatsbürgschaften, andere gar Staatsbeteiligungen.
Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerkandidat der SPD bei der Bundestagswahl im September, forderte eine europäische Lösung. "Wer Opel retten will, muss weiter denken als bis zum nächsten Kirchturm. Kein Werk ist für sich und einzeln überlebensfähig, weder in Deutschland noch anderswo. Wir müssen international und auf europäischer Ebene koordiniert vorangehen", sagte Steinmeier der "Rheinischen Post". Dafür sei eine überparteiliche Zusammenarbeit notwendig.
Union ist uneins
Aus Sicht des CDU-Mittelstandspolitikers Michael Fuchs ist Opel nicht zu helfen. In der "Berliner Zeitung" sagte er: "Eine Insolvenz von Opel wird nicht zu vermeiden sein." Er warnte davor, den Autohersteller mit Staatsbürgschaften zu retten. "Das Geld wandert sofort in die USA, dem können wir nicht zustimmen", wird der Bundestagsabgeordnete zitiert.
Dagegen sagte sein Parteifreund und nordrhein-westfälische-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers der "Welt am Sonntag": "Bürgschaften sind sicher eine Möglichkeit." Allerdings könne der Staat erst beurteilen, was notwendig sei, wenn der Zukunftsplan des Konzerns vorliege. "Wir erleben eine Systemkrise, in der der Staat auch aus ordnungspolitischen Erwägungen seine Verantwortung wahrnehmen muss", wird der CDU-Politiker zitiert.
Thüringen zu allem bereit
Weiter ging Thüringens Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU), in dessen Bundesland Opel in Eisenach sein kleinstes Werk betreibt: Bundesländer mit Opel-Standorten sollten notfalls zu einer Beteiligung bereit sein, sagte er der "Bild am Sonntag". "Thüringen ist für alle Lösungen offen, um die Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland zu retten", fügte er hinzu. Die amtierende Ministerpräsidentin und Thüringer Finanzministerin Birgit Diezel schränkte allerdings in der "Super-Illu" ein, eine staatliche Beteiligung an Opel komme nur als "letzte Möglichkeit" in Betracht.
CSU-Chef Horst Seehofer lehnte Staatsbeteiligungen an kriselnden Unternehmen strikt ab. Der Staat solle nicht direkt als Unternehmer tätig werden, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
CDU-Präsidiumsmitglied Wolfgang Schäuble äußerte sich allgemein zur Krise vieler Unternehmen: "Wenn alles andere versagt, muss der Staat einspringen." Das entspreche auch den ordnungspolitischen Grundsätzen der CDU, sagte der Bundesinnenminister der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Außergewöhnliche Zeiten erforderten außergewöhnliche Maßnahmen.
Wie schlimm steht es um Opel?
Nach Informationen der "Bild"-Zeitung lautet das Fazit einer Einschätzung des Bürgschaftsausschusses, in dem die Bundesländer mit Opel-Standorten und mehrere Bundesministerien vertreten sind: "Ab Mai/Juni droht Zahlungsunfähigkeit." Die Bundesregierung befürchte deshalb, dass Opel nur mittels einer "Rettungsbürgschaft" kurzfristig beizuspringen sei. Nach geltendem EU-Beihilferecht müsste sich das Unternehmen aber im Gegenzug zu einem massiven Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbau verpflichten.
EU warnt vor Alleingängen
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso warnte Deutschland eindringlich davor, gegen europäische Binnenmarktregeln zu verstoßen. "Die EU-Kommission versteht, dass die Mitgliedstaaten zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Aber wir rufen dazu auf, dabei die Regeln des Binnenmarkts einzuhalten", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". "Wenn Maßnahmen getroffen werden, ohne die Auswirkungen auf die Nachbarstaaten zu berücksichtigen, wird sich die Krise weiter verschärfen und es werden noch mehr Jobs verloren gehen."
Mit der Opel-Krise beschäftigt sich auch der Bericht aus Berlin - am kommenden Sonntag, den 22.2., um 18:30 Uhr im Ersten
Der Autobauer Opel hat neben dem Bund auch die Länder Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz um Hilfe gebeten. Die deutsche Tochter des schwer angeschlagenen amerikanischen Autokonzerns General Motors hat in diesen vier Bundesländern folgende Werke:
Hessen: Rüsselsheim ist der Stammsitz des 146 Jahre alten Unternehmens. Hier arbeiten 18.300 Mitarbeiter. Neben der Zentrale ist in Rüsselsheim das internationale Entwicklungszentrum sowie ein neu errichtetes Werk angesiedelt. Bis zu 270.000 Autos jährlich laufen in dem Werk vom Band.
Nordrhein-Westfalen: Seit 1962 ist Opel auch am Standort Bochum tätig, mittlerweile werden drei Werke auf einem ehemaligen Zechengelände betrieben. Beschäftigt sind hier 5300 Mitarbeiter, die vor allem die Modelle Astra und Zafira sowie Achsen und Getriebe herstellen. 2007 wurden in Bochum rund 240.000 Fahrzeuge gebaut.
Rheinland-Pfalz: In Kaiserslautern stellen rund 2300 Mitarbeiter Vierzylinder-Leichtmetall-Ottomotoren und Vierzylinder-Turbodieselmotoren mit Commonrail-Kraftstoffeinspritzung her. Im Komponentenwerk sind weitere 2300 Mitarbeiter tätig. Opel betreibt den Standort Kaiserslautern seit 1966.
Thüringen: Bei der Opel Eisenach GmbH produzieren 1900 Mitarbeiter den neuen Corsa. Das Werk startete 1992 kurz nach der Wende.