Monti stellt Expertenkabinett vor Die Regierung, die nicht scheitern darf
Es ist die wohl letzte Chance für Italien - und damit auch für den Euro: Der Ökonom und Ex-EU-Kommissar Monti hat sein neues Kabinett vorgestellt, das vor allem eine Aufgabe hat - es muss Italien aus der Krise der Berlusconi-Ära führen. Monti setzt dabei ausschließlich auf Fachleute statt Parteipolitiker.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Hochschullehrer, Botschafter, Juristen, Manager: Das Expertenkabinett des Professor Mario Monti steht, mit dieser Mannschaft will der neue Ministerpräsident Italien aus der Krise führen. Die Zeit drängt. Unmittelbar vor der Bekanntgabe der neuen Regierung hat der Zinssatz für zehnjährige italienische Staatsanleihen erneut den kritischen Wert von sieben Prozent überschritten.
Monti will mit seiner schnellen Regierungsbildung ein Signal des Vertrauens setzen: "Wir haben in kurzer Zeit sehr seriös gearbeitet, wir haben bei der Auswahl Wert auf die Qualität gelegt. Von dem Ergebnis sind wir überzeugt. Denn wir haben viele Zeichen der Ermutigung von unseren europäischen Partnern und aus der ganzen Welt erhalten."
Effizienz als Markenzeichen
Effizienz, das scheint das neue Markenzeichen dieser Regierung zu sein, Monti hat in nicht einmal einer Woche ein Kabinett zusammengestellt. Er hat auch den unter Silvio Berlusconi aufgeblähten Regierungsapparat massiv reduziert auf insgesamt nur noch 16 Minister. Er selbst wird bis auf weiteres auch das Wirtschafts- und Finanzministerium übernehmen.
Einer breiten Öffentlichkeit dürften die Namen der meisten anderen Kabinettsmitglieder wenig sagen. Am ehesten vielleicht noch Corrado Passera. Er ist Vorstandschef der größten italienischen Bank Intesa San Paolo und wird neuer Minister für Wirtschaftsentwicklung und Infrastruktur. Ein Schlüsselressort für Monti, der den wirtschaftlichen Aufschwung zu seinem Kernanliegen gemacht hat.
"Strenge Sparsamkeit, Wirtschaftsförderung und sozialer Ausgleich"
Passera hatte die Regierung Berlusconi immer wieder für ihr Nichtstun gegen die Krise kritisiert. Den Wechsel zu Monti begrüßte Passera wie die allermeisten Unternehmer im Land: "Nach den wenigen Äußerungen von Monti ist zu erwarten, dass es ein Programm von strenger Sparsamkeit, Wirtschaftsförderung und sozialem Ausgleich gibt. Das alles zusammen wird das Wachstum nachhaltig wieder anschieben und zu Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt führen."
Eine der schwersten Aufgaben im neuen Kabinett hat Justizministerin Paola Severino, die Strafrechtlerin soll und muss das Justizsystem reformieren. Prozesse dauern zu lange, Staatsanwälte profilieren sich gerne über spektakuläre Untersuchungen und vertrauliche Abhörprotokolle landen allzu oft in den Medien. Im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen die US-Studentin Amanda Knox sagte Severino dem ARD-Hörfunkstudio Rom, dass der italienische Rechtsstaat im Prinzip funktioniert. "Es gibt die wichtige Garantie, einen Prozess in zweiter Instanz noch einmal überprüfen zu können. Das muss man einfach festhalten."
Kein einziger aktiver Parteipolitiker
International am profiliertesten ist sicherlich der römische Kirchengeschichtsprofessor Andrea Riccardi. Er soll Entwicklungshilfe- und Integrationsminister werden. Riccardi ist Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant’ Egidio, die sich im sozialen Bereich und in der Friedensarbeit engagiert. 2003 erhielt er den Aachener Karlspreis. "Ich weiß nicht, ob wir Politik machen", sagte Riccardi. "Als braver Ex-68er bin ich überzeugt davon, dass alles Politik ist. Ich denke, wir arbeiten bei Sant’ Egidio an zwei Sachen, die Politik darstellen. Zum einen betrifft es den Frieden. Und dann geht es um die Frage einer Lebenskultur - und Lebenskultur ist immer Dialog."
Riccardi ist nicht nur ein politischer Kopf, sondern vor allem auch ein Mann der Kirche, hoch geschätzt im Vatikan. Die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der italienischen Regierung waren in der Endphase Berlusconis mehr als frostig. Monti setzt da ein Zeichen: Sein neues Kabinett wird katholischer und unpolitischer. Am Kabinettstisch von Professor Monti wird kein einziger aktiver Parteipolitiker sitzen.