Mobilfunk-Ausbau Wenn das Dorf keinen Handymast will
Eine Odenwaldgemeinde liegt größtenteils im Funkloch, doch gegen den Bau eines Sendemasts gibt es Widerstand. Stabiles Handynetz oder nicht - darüber streitet das Dorf seit Jahren.
In der 760-Einwohner-Gemeinde Rüdenau im Landkreis Miltenberg ist es sehr ruhig. Vielen Einheimischen sogar zu ruhig. Denn Rüdenau gilt als Funkloch Nummer eins in Unterfranken. Nur 26 Prozent Netzabdeckung - das ist einsamer Negativrekord.
Doch um den rettenden Sendemast gibt es seit Jahren Streit. Telefonieren mit dem Handy: In Rüdenau geht das nur an wenigen Stellen. Mobiles Internet ebenso. Deshalb wollte die Gemeinde 2019 einen Sendemast aufs Rathausdach stellen. Doch die Bevölkerung spielte nicht mit, sagt Bürgermeisterin Monika Wolf-Pleßmann.
Knappe Mehrheit gegen den Mast
Ihr Vorgänger im Amt wollte die Stimmung im Ort testen und veranlasst eine Befragung. Daran hätten sich rund 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Das Ergebnis fiel knapp aus: mit etwa 30 Stimmen Mehrheit setzten sich damals die Funkmastgegner durch.
Will den Funkmast: Bürgermeisterin Monika Wolf-Pleßmann.
Nun hat Monika Wolf-Pleßmann, seit Mai 2020 ehrenamtliche Bürgermeisterin von Rüdenau, das Problem geerbt. In Rathausnähe klappt es noch einigermaßen mit dem Handyempfang. Aber vollen Ausschlag sucht man auch hier vergebens. Welchen Anbieter man habe, sei dabei egal, meint die Bürgermeisterin: Die einen sagten, das D1-Netz funktioniere besser. Die anderen schwörten auf D2 oder das O2-Netz von Telefónica. Das sei auch ein bisschen Glaubenssache.
Unmut bei Gewerbetreibenden
Klar ist nur: Der Empfang in Rüdenau ist mies. Die Stimmung bei vielen Einheimischen auch - besonders bei den Gewerbetreibenden. Dieter Baumann führt in fünfter Generation das "Gasthaus zum Stern". Sein gutbürgerliches Haus ist dank der eigenen Metzgerei einigermaßen glimpflich durch die Pandemie gekommen. Aber der schlechte Handyempfang sei schon ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für sein Haus, so der Gastronom.
"Wir haben auch schon Kundschaft verloren, weil besonders Geschäftsleute sagen, sie müssen erreichbar sein", sagt Baumann. Der Empfang sei in jedem seiner Zimmer unterschiedlich gut und schwankend dazu. Außerdem schirme die gegenüberliegende Kirche einen Teil der Funkwellen ab, die vom drei Kilometer entfernten Mast im Tal heraufkommen.
Bedenken gegen die 5G-Technik
So unsichtbar wie der Mobilfunk selbst sind auch die Bedenken dagegen. Kaum jemand traut sich, das öffentlich zu sagen. Dabei rumort es im Ort angeblich teilweise heftig. Eine erklärte Gegnerin des geplanten Mobilfunkmastes und ehemalige Gemeinderätin von Rüdenau erklärt sich erst zu einem Interview bereit, sagt dann aber kurzfristig wieder ab. Das sei in einem kleinen Ort einfach so, sagt ein Insider. Hier kenne jeder jeden, und dann mache alles gleich die Runde. Niemand wolle gern auf diese oder jene Linie festgelegt werden.
Die Dorfbewohnerin Ulrike Lorenz äußert bereitwillig ihre Skepsis. Sie finde es eigentlich ganz sympathisch, dass man in Rüdenau nicht ständig erreichbar ist. Es gebe ja auch noch das Festnetz. Und zum Surfen habe ohnehin jeder den Computer daheim. Baumann gibt zu, dass ihr die 5G-Technik nicht ganz geheuer ist und meint gelesen zu haben, dass es auch ernsthafte wissenschaftliche Bedenken dagegen gebe. Weil das dem Körper vielleicht schaden könnte, nehme sie lieber den schlechteren Empfang in Kauf.
Bürgermeisterin kämpft für Ausbau
Bürgermeisterin Wolf-Pleßmann nimmt die Bedenken ernst, auch wenn sie sie selbst nicht teilt. Denn gerade die Lücken im Handynetz könnten Leib und Leben gefährden. Erst vor einem halben Jahr habe es etwas außerhalb im Wald, an einem kleinen See, einen medizinischen Notfall gegeben. Da hätte besserer Empfang womöglich Leben retten können. Doch der Notarzt kam zu spät zum Unglücksort. Ohne Handynetz helfen auch die sogenannten Rettungspunkte nicht, die oberhalb von Rüdenau mit der Nummer der Rettungsleitstelle ausgeschildert sind.
Auch gegen den jüngsten Vorstoß des Gemeinderates regt sich Widerstand. Zumindest optisch würde ein Funkmast am Waldrand oberhalb des Dorfes nicht stören. Gleichzeitig könnte von diesem Standort aus der gesamte Ort, der sich über zwei Täler erstreckt, abgedeckt werden. Allerdings stehen dort am Hang - einige Hundert Meter entfernt - auch Wohnhäuser und nicht zuletzt der Kindergarten. Auch hier gebe es besorgte Eltern, heiß es.
Die Bürgermeisterin hofft nun auf einen Kompromiss, der für möglichst viele akzeptabel ist, damit die Funkstille in Rüdenau bald ein Ende hat. Der Gemeinderat will sich demnächst für einen Standort entscheiden. Dort soll dann der neue Funkmast gebaut werden - es sei denn, ein Bürgerbegehren spräche sich dagegen aus. Das wäre dann ein Jahr lang bindend. Bürgermeisterin Wolf-Pleßmann nimmt auch das gelassen: "Damit muss man in der Kommunalpolitik immer rechnen."