EU-Gipfel zur Energiepolitik Große Freude ohne konkreten Anlass
Ein allgemeiner Konsens zu einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik hat EU-Kommissionspräsident Barroso gereicht, um seine Zufriedenheit auszudrücken. Gleichwohl hat der EU-Gipfel in Brüssel noch nichts Konkretes beschlossen.
Von Michael Becker, MDR, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Gegen 23 Uhr traten Wolfgang Schüssel, österreichischer Bundeskanzler und amtierender EU-Vorsitzender, und Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, vor die Presse. Hinter ihnen lag eine lange Diskussion im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs beim gemeinsamen Abendessen. Dabei ging es um die Frage, ob Europa eine gemeinsame europäische Energiepolitik braucht.
Merkel setzt die Agenda
Bei Tafelspitz und Kaiserschmarrn hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Vorstellungen zum Thema Energiepolitik vorgetragen: Mehr Wettbewerb - freie Leitungen für Strom durch ganz Europa, auch über die Ländergrenzen hinweg - und damit letztlich auch sinkende Preise, hieß es in Merkels Plädoyer. Es war der Anstoß für die anschließende Debatte.
Schüssel war begeistert
"Ich habe jede Minute genossen, weil es auch eine spannende und intellektuell anregende Diskussion gewesen ist," meinte der Österreicher Wolfgang Schüssel voll des Lobes. Und nicht nur das: Schüssel sprach von einem historischen Tag, dem Auftakt für eine gemeinsame europäische Energiepolitik.
Die hatte Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, im Vorfeld des Gipfels energisch gefordert – mit durchaus überzeugenden Argumenten: "Europas Reserven werden immer geringer und die Nachfrage nach Öl und Gas wird weltweit immer größer - man denke nur an die aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien." Deshalb könne man sich in einem so wichtigen Bereich keine 25 europäischen Minimärkte leisten, hatte Barroso argumentiert.
Der Wille ist da
Die EU solle gemeinsam als Großkunde auftreten, wenn es darum gehe, mit den Rohstoff-Ländern wie Russland Verträge zu schließen. Das ist noch Zukunftsmusik - aber man sei ja auch erst am Anfang der Debatte meinte Barroso: "Die Frage ist, ist der Wille da für eine gemeinsame Energiestrategie - und ich denke die Antwort war ganz klar: ja".
Dabei gehe es aber nicht darum, den einzelnen Ländern Vorschriften zu machen, betonte der EU-Vorsitzende Wolfgang Schüssel. "Wir sind uns einig, dass jedes Land seinen Energiemix bestimmen kann - niemand kann gezwungen werden, Atomkraft zu nutzen".
EU-Kommissionspräsident Barroso meinte, man sei noch nicht zu konkreten politischen Entscheidungen gekommen. Konkreter soll es heute werden; vorausgesetzt alle 25 Staats- und Regierungschefs können sich auf ein paar Zahlen einigen: etwa darauf, den Energieverbrauch in Europa um 20 Prozent zu senken. Auch das soll Teil einer gemeinsamen europäischen Energiestrategie sein.
Alte Ziele – neue Ziele
In anderen Bereichen würde der EU-Vorsitzende Schüssel seine Kollegen ebenfalls gerne auf verbindliche Zusagen festlegen: Zum Beispiel die Ausgaben für Bildung und Forschung deutlich zu erhöhen und EU-weit jedes Jahr zwei Millionen neue Jobs zu schaffen. Die Begeisterung dafür hält sich allerdings in Grenzen. Es mache wenig Sinn immer neue Ziele festzulegen, wenn man noch nicht mal die bisherigen einhalten kann, hieß es in Delegationskreisen.