Einigung über umstrittenes Projekt EU entschärft Dienstleistungsrichtlinie
Die geplante Dienstleistungsrichtlinie hat wie wenige andere Vorhaben der EU die Stimmung in den Mitgliedsstaaten gegen Brüssel aufgeheizt. Nun haben sich die EU-Länder nach zähem Ringen auf einen Kompromiss verständigt - und die Richtlinie weitgehend entschärft.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Freude war allen Beteiligten deutlich anzumerken: Nach einem achtstündigen Verhandlungsmarathon war der Durchbruch da. Und das nach monatelangen heftigen Auseinandersetzungen - begleitet von zahlreichen Protesten in der Bevölkerung. Die Hürden beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsmarkt sollen abgebaut werden - aber so grenzenlos wie ursprünglich geplant, wird er nicht. Joachim Wuermeling, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, meinte dennoch, der Weg sei frei für mehr Wachstum und Beschäftigung im Dienstleistungsbereich.
70 Prozent des Wirtschaftslebens in der EU bestehen aus Dienstleistungen. "Das ist ein Signal", meinte Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der amtierende EU-Ratsvorsitzende, "Europa ist nicht gelähmt, sondern aktiv - wir tun etwas für Wachstum und Arbeitsplätze".
Hürden blockieren Wettbewerb
Bisher werden Unternehmen und Selbstständige durch zahlreiche bürokratische Hürden daran gehindert, Aufträge in anderen EU-Ländern anzunehmen. Beispiele gibt es zahlreiche: Etwa der Maler aus Nordrhein-Westfalen, der einen Auftrag jenseits der Grenze in Belgien annehmen will, dafür seine Farbeimer aber nur in einem Anhänger transportieren darf, der in Belgien zugelassen ist. Oder der Fremdenführer aus Deutschland, der auf der Akropolis in Athen keine Touristen herumführen darf, weil er kein Grieche ist.
Doch von den ursprünglichen Plänen für den grenzenlosen Dienstleistungsmarkt ist nicht viel übrig geblieben. Dienstleister aus dem Ausland sollten ursprünglich nach den Bestimmungen in ihren Heimatländern arbeiten dürfen - und damit auch zu den Löhnen, die sie zu Hause nehmen. Aber in Deutschland und Frankreich machte sich die Angst vor Sozial- und Lohndumping breit: Tausende Menschen gingen gegen die Pläne auf die Straße, aus Sorge vor der Billigkonkurrenz aus Osteuropa. Handwerker beispielsweise oder Pflegekräfte im Gesundheitswesen, die in Deutschland ihre Dienste anbieten - und das zu Dumping-Löhnen, bei denen kein deutscher Konkurrent mithalten könnte.
EU-Parlament findet Kompromiss
Doch diese Sorgen sind weitgehend vom Tisch. Im Februar hatte sich das Europa-Parlament auf einen neuen Kompromiss geeinigt, der mit den ursprünglichen Plänen nicht mehr viel gemein hat.
Es gelten nun auch für Dienstleister aus dem Ausland die Bestimmungen des Landes, in dem sie ihre Dienste anbieten - und damit auch die deutschen Mindestlöhne und Arbeitszeitbestimmungen etwa für ausländische Bauunternehmer. Dasselbe gilt für die Bauvorschriften. Das Gesundheitswesen ist komplett ausgenommen - darauf hatte die Bundesregierung bestanden. Die osteuropäischen EU-Länder hatten sich deshalb bis zum Schluss gegen den neuen Kompromiss gewehrt.
Die EU-Länder sollen nun Regelungen abschaffen, die ausländische Anbieter diskriminieren. EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie Mc Creevy ist deshalb überzeugt, dass auch mit dem abgeschwächten Kompromiss hunderttausende Arbeitsplätze entstehen werden: "Das alles wird einen spürbaren Effekt auf die Wirtschaft haben." Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung des Europa-Parlaments. Dann haben die EU-Länder voraussichtlich bis 2009 Zeit, die Regelungen umzusetzen.