Streit um EU-Richtlinie beigelegt Kompromiss für offene Dienstleistungsmärkte
Dienstleistern sollen auch die Märkte anderer EU-Staaten offen stehen. Die Weichen dafür hat die EU-Kommission mit einem neuen Entwurf der heftig umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie gestellt. Eine "Bedrohung des europäischen Sozialmodells" sei abgewendet worden, sagte Kommissar McCreevy.
Die EU-Kommission hat die Weichen für eine Einigung auf die heftig umstrittene Dienstleistungsrichtlinie gestellt. Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy legte den neuen Entwurf der Kommission für die Öffnung der nationalen Dienstleistungsmärkte für Unternehmen aus anderen EU-Staaten vor. Eine "Bedrohung des europäischen Sozialmodells" werde verhindert, sagte McCreevy im Europaparlament.
Der neue Entwurf schränkt die Freiheit von Unternehmern deutlicher ein als die Fassung von McCreevys Vorgänger Frits Bolkestein, gegen den zehntausende Menschen demonstriert hatten. Der Ärger über Bolkesteins Vorschlag wurde auch für das Scheitern der EU-Verfassung in Frankreich mitverantwortlich gemacht.
Herkunftslandprinzip gestrichen
Die Kommission folgt nun weitgehend dem Kompromiss des Parlaments. Sie streicht das so genannte Herkunftslandprinzip, wonach Unternehmen in anderen Ländern zu den Regeln ihres Heimatlandes Aufträge erledigen dürften.
Stattdessen soll in vielen Bereichen das Sozial- oder Umweltrecht des Landes gelten, in dem ein Auftrag erledigt wird. Allerdings werden zugleich noch gängige Verwaltungshürden wie die Pflicht zur Eintragung bei Kammern oder das Unterhalten von Büros vor Ort verboten. "Das ist der größte Durchbruch für ein soziales Europa", sagte die Berichterstatterin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt. Sie begrüßte, dass die Kommission Wort gehalten und sich stark an dem von ihr mit ausgearbeiteten Kompromiss des Parlaments orientiert habe.
Bestimmte Sektoren von Marktöffnung ausgenommen
Wie vom Parlament Mitte Februar in erster Lesung gefordert, sollen eine Reihe von Sektoren von der Marktöffnung ausgenommen werden. Dies gilt etwa für Dienste "von allgemeinem Interesse" wie Telekommunikation oder die Post. Eine genauere Definition dieser Dienste will die Kommission in den nächsten Wochen vorlegen. Ausgenommen vom Anwendungsbereich werden außerdem alle Gesundheitsdienste - private wie öffentliche - sowie soziale Dienste, etwa für pflegebedürftige Personen oder Kinder. Schließlich ist auch sichergestellt, dass Dienstleister der Kontrolle des Landes unterliegen, in dem sie tätig werden.
Bundesregierung zeigt sich zufrieden
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) verwies darauf, dass die Richtlinie deutschen Dienstleistern Chancen auch im Ausland eröffne. Er lobte, dass sensible Bereiche wie der Gesundheitssektor von der Richtlinie ausgenommen würden.
Kritik von den Liberalen
Kritik an der neuen Fassung der Richtlinie äußerten die Liberalen. "Wachstum und Jobs können mit diesem verwässerten Text nicht mehr erreicht werden", kritisierte ihr Abgeordneter Alexander Graf Lambsdorff. McCreevy helfe den Staaten dabei, sich abzuschotten. "Für Deutschland mit seinen zahlreichen leistungsstarken Dienstleistungsunternehmen wurde eine große Chance vertan, Weltmeister auch im Export von Dienstleistungen zu werden."
Über die neuen Vorschläge müssen nun die 25 nationalen Regierungen im Ministerrat debattieren. Gebhardt forderte den Rat auf, schnell zu entscheiden. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung bis zum Ende ihrer Amtszeit im Juni an. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Mitte März den Parlamentsvorschlag deutlich begrüßt.