Konjunkturprogramm in China Die Werkbank der Welt im Abwärtssog
Neun Prozent Wachstum - was für europäische Märkte eine Traumprognose wäre, ist für Chinas Wirtschaft bedrohlich. Firmen gehen pleite, Arbeiter warten auf ihre Löhne. Die chinesische Regierung will jetzt mit einem massiven Konjunkturprogramm gegensteuern.
Astrid Freyeisen, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Der Fall Hejun ist ein Alarmsignal für die chinesische Wirtschaft. Hejun ist eine Spielzeugfabrik in Dongguan, dem Herzen der Industrieproduktion im Süden Chinas. Hejun hat jahrelang für Wal-Mart und Disney produziert - bis der Hongkonger Firmenchef plötzlich verschwand. "Wir Arbeiter spürten, dass etwas nicht stimmte, denn viele Waren wurden aus der Fabrik wegtransportiert," erinnert sich der Arbeiter Li an jenen Tag im Oktober. "Wir traten dann in Streik. Wir gingen auf die Straße, über 3.000 von uns. Man hatte uns noch nicht mal den Lohn für August gezahlt. Der Streik brachte uns diesen Lohn ein, Arbeiter aus anderen Teilen der Fabrik bekamen ihn aber nicht gezahlt." Erst nach Verhandlungen mit der Stadtregierung von Dongguan hätten sie auch die Löhne bis Oktober erhalten, sagt Li. "Jetzt versuchen wir, über Entschädigungen und unsere Versicherung zu verhandeln."
Mehr Geld für das soziale Netz
Häufen sich solche Fälle, könnten China massive soziale Unruhen bevorstehen. Die Zentralregierung hat ein Konjunkturprogramm über die gigantische Summe von umgerechnet 458 Milliarden Euro bis 2010 angekündigt. Der Bau von Eisenbahnen, Straßen und billigen Wohnungen soll gefördert werden, vor allem aber die mittelständische Wirtschaft. Die Vergabe von Krediten soll für sie gelockert werden. Laut der führenden chinesischen Wirtschaftszeitung Caijing soll die Lage von Bauern und Geringverdienern gesichert werden. Unter anderem durch mehr Geld für das soziale Netz.
"Es ist so still und leer hier"
Darauf hoffen auch die Arbeiter der Spielzeugfabrik Hejun. "Ich habe kein Einkommen und weiß nicht, was ich tun soll. Es ist nicht leicht, einen Job zu finden," meint einer von ihnen. Die meisten Fabriken hätten eine Altersgrenze. Sie wollten Arbeiter unter 35. "Wenn ich nichts Passendes mehr finde, muss ich zurück in mein Heimatdorf", sagt der Mann. Die Firmen in Dongguan seien alles arbeitsintensive Exportgeschäfte. Wegen der Finanzkrise fielen sie schnell in sich zusammen. "Ich bin sehr traurig. Das hier war einmal eine sehr lebendige Nachbarschaft, jetzt ist es so still und leer hier. Wir gehörten zum Management. Früher haben wir sofort Angebote bekommen, wenn wir uns im Internet beworben haben."
Warten, dass der Optimismus zurückkommt
Dieses Mal - nichts dergleichen. Vor ein paar Tagen hat wieder eine Firma zugemacht. Die hatte für einen Hongkonger Investor Weihnachtsbäume hergestellt. Wer durch Dongguan geht, hat den Eindruck, dass mindestens ein Drittel der Fabriken leer stehen. Ein Produzent von Uhren, der anonym bleiben will, berichtet, dass viele Firmen in seiner Branche schwer von der Finanzkrise betroffen seien. Einige hätten schon zugemacht, andere versuchten nur noch, ihre fertigen Waren loszuwerden. "Es sieht nicht sehr gut aus. Meiner Meinung nach wird sich die Situation erstmal nicht verbessern. Es wird dauern, bis der Optimismus der Kunden zurückkehrt."
Bereits optimistisch zeigt sich der Internationale Währungsfond. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn begrüßte das Konjunkturpgrogramm der chinesischen Regierung. Es werde nicht nur die Weltwirtschaft stützen, sondern auch die Binnenwirtschaft. Die Experten der Zeitung Caijing schätzen, dass Peking sogar noch nachlegen wird: Durch erheblich höhere Grenzen für Freibeträge bei der Einkommenssteuer.