Milliardengewinne der Konzerne Länder wollen Sondersteuer für Öl-Multis
Italien, Großbritannien oder Ungarn haben bereits "Übergewinnsteuern" für Energiekonzerne eingeführt. Auch in Deutschland werden Forderungen immer lauter, die hohen Profite wegen des Ukraine-Kriegs abzuschöpfen.
Die enormen Sondergewinne der Öl-Multis im Zuge des Ukraine-Kriegs sorgen zunehmend für Unmut in der Politik. Alleine im ersten Quartal haben die fünf größten Mineralölkonzerne angesichts massiv gestiegener Spritpreise rund 30 Milliarden Euro verdient - mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor.
"Es darf nicht sein, dass einige Unternehmen allein aufgrund kriegsbedingter Preissteigerungen Milliarden zusätzlich verdienen, während Bund und Länder Milliarden zusätzlich aufwenden müssen, um die von den Preissteigerungen besonders betroffenen Privathaushalte und Firmen zu unterstützen", sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte.
Initiative aus Bremen
Das kleine Bundesland Bremen will kriegsbedingte Übergewinne bei Mineralkonzernen mit einer zeitlich befristeten Sondersteuer belegen. Dazu soll kommende Woche ein entsprechender Antrag in den Bundesrat eingebracht werden, kündigte der SPD-Politiker Bovenschulte diese Woche nach einer Senatssitzung an. Ziel sei es, Gewinnanteile, die allein durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstanden seien, durch eine Sonderabgabe abzuschöpfen.
Nach Bremen dringen nun auch die anderen Bundesländer auf ein staatliches Vorgehen wegen der hohen Energie-Gewinne. Die Länder hätten sich darauf verständigt, "die Bundesregierung zu bitten, regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Spekulation mit Öl, mit Gas, mit Strom zu unterbinden", sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey gestern nach den Beratungen der Regierungschefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. Zudem müssten entsprechende Preiserhöhungen der vergangenen Wochen und Monate kartellrechtlich überprüft werden.
Bundesregierung soll Möglichkeiten prüfen
Die Bundesregierung müsse prüfen, was rechtlich möglich sei und habe das auch zugesagt, sagte Giffey. Es könne nicht sein, dass eine krisenhafte Situation zur eigenen Profitmaximierung ausgenutzt werde.
Seit Wochen fordern die Linkspartei und Teile der Grünen eine "Übergewinnsteuer". Grünen-Chefin Ricarda Lang erklärte Mitte der Woche, dass eine solche Steuer ein logischer Schritt sei, "wenn die Mineralölkonzerne die derzeitige Krise offensichtlich ausnutzen, um riesige Gewinne zu machen".
Bundesfinanzminister Christian Lindner lehnt eine "Übergewinnsteuer" hingegen ab. Sie "würde auch die Hersteller von Impfstoffen, Wind- und Solarkraftanlagen oder Halbleitern treffen", argumentiert der FDP-Politiker. "Die machen Profite, weil sie dank ihres Könnens Knappheiten beseitigen. All denen möchte ich keine Impulse nehmen, mehr zu produzieren."
Debatte auch in den USA
In anderen Ländern ist eine solche Sondersteuer bereits eingeführt worden - oder wird ebenfalls diskutiert. Die US-Regierung erwägt angesichts der hohen Energiepreise die Einführung von Sondersteuern für Öl- und Erdgas-Produzenten, um das Geld ärmeren Bürgern zukommen zu lassen. "Es gibt eine Reihe von interessanten Vorschlägen und Gestaltungsmöglichkeiten für eine Übergewinnsteuer", sagte Bharat Ramamurti, Vize-Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates, gestern bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Roosevelt Institute. "Wir prüfen alle sorgfältig und führen Gespräche mit dem Kongress über die Ausgestaltung."
Allerdings ist unklar, ob derartige Maßnahmen im Kongress eine Mehrheit finden können. Im November finden Zwischenwahlen statt.
Sondersteuern in Italien und Ungarn
Zu den Vorreitern einer "Übergewinnsteuer" zählt Italien. Bereits im März hat das Land eine Steuer auf Zusatzgewinne von Energieunternehmen beschlossen. Zunächst lag sie bei zehn Prozent, inzwischen werden 25 Prozent auf die Umsatzerlöse erhoben, wenn sie mindestens zehn Prozent über dem Vorjahreszeitraum liegen und mehr als fünf Millionen Euro ausmachen. Schätzungen zufolge wird damit rund sechseinhalb Milliarden Euro in die Staatskasse gespült.
Auch Ungarn schöpft kriegsbedingte Zusatzgewinne der Energiekonzerne und Banken ab. Die Sondersteuer soll in diesem und im kommenden Jahr erhoben werden. Die Regierung in Budapest hofft auf Einnahmen von mehr als zwei Milliarden Euro. "Wir nehmen nicht den Gewinn, sondern den Übergewinn weg", sagte Marton Nagy, der Minister für wirtschaftliche Entwicklung.
Großbritannien plant die "Windfall Tax"
Auch Großbritannien plant inzwischen eine solche Steuer - obwohl sich Premierminister Boris Johnson zunächst dagegen ausgesprochen hatte. Finanzminister Rishi Sunak will mit der Ende Mai vorgestellten "Windfall Tax" rund fünf Milliarden Pfund (rund 5,9 Milliarden Euro) in die Staatskasse holen und damit Teile eines Entlastungspakets für inflationsgeplagte britische Haushalte stemmen. Öl- und Gaskonzerne wie BP und Shell sollen einmalig auf ihre Zusatzgewinne 25 Prozent Steuern zahlen.
Dabei soll es aber für die Unternehmen auch die Möglichkeit geben, ihre Steuerlast zu senken, wenn sie gleichzeitig Investitionen tätigen. Als "Windfall Tax" werden Steuern auf Gewinne bezeichnet, zu denen es unerwartet kommt.
"Übergewinnsteuern" sind in der Vergangenheit immer wieder erhoben worden. Beispielsweise wurde während der beiden Weltkriege in den USA eine solche Steuer erhoben, aber auch in Großbritannien und Frankreich. Verfolgt wurde damit meist das Ziel, den außergewöhnlich hohen Finanzbedarf des Staates zu decken. Zudem sollten Gewinne bestimmter Branchen abgeschöpft werden, "die entweder aufgrund oder während der Kriege erwirtschaftet wurden und daher als ungerecht empfunden wurden", heißt es vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags.