Gestörte Lieferketten Ein Auftragsstau wie noch nie
In der deutschen Industrie sind die Auftragsbücher so voll wie noch nie seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015. Um die Aufträge vollständig abzuarbeiten, werden die Betriebe noch viele Monate brauchen.
Die Aufträge in der deutschen Industrie türmen sich weiter. Im Juni ist der Bestand an Bestellungen um 0,5 Prozent zum Vormonat gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr ist er sogar um 14,1 Prozent gewachsen, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte.
"Damit hat der Auftragsbestand des Verarbeitenden Gewerbes einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015 erreicht", hieß es von den Wiesbadener Statistikern.
Lieferengpässe bei Vorprodukten
Grund dafür ist die schon vor dem russischen Krieg in der Ukraine herrschende Knappheit an Vorprodukten. Die harten Corona-Lockdowns des wichtigsten deutschen Handelspartners China haben die Lage noch verschärft.
Wegen der gestörten Lieferketten gibt es bei vielen Unternehmen nach wie vor Probleme beim Abarbeiten ihrer Aufträge. Die offenen Aufträge aus dem Inland erhöhten sich um zwei Prozent zum Vormonat, die aus dem Ausland sanken hingegen um 0,3 Prozent.
Stau bei Maschinenbauern besonders groß
Die sogenannte Reichweite des Auftragsbestands gab im Juni leicht auf acht Monate nach, nachdem sie im Mai noch bei 8,1 Monaten gelegen hatte. Die Reichweite gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Auftragseingänge theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen ist sie mit 11,8 Monaten besonders hoch.
Falls sich die Lieferengpässe in den kommenden Monaten auflösen, könnte das die Produktion in der deutschen Industrie beleben. Die Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten dürfte für sie aber auch in der zweiten Jahreshälfte ein großes Problem sein.
Probleme im Schiffsverkehr
Im Juli klagten 73,3 Prozent der befragten Firmen über entsprechende Engpässe, wie das Münchner ifo-Institut bei seiner monatlichen Umfrage herausfand. "Neben der grundsätzlichen Knappheit bei elektronischen Komponenten tragen weiterhin auch Probleme in der weltweiten Logistik, insbesondere im Schiffsverkehr, zu den Beschaffungsproblemen bei", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet aufgrund der Engpässe und der problematischen Beschaffung von Rohstoffen mit schwierigen Monaten. "Die anhaltenden Lieferkettenstörungen erschweren es vielen Betrieben, ihre Aufträge abzuarbeiten", sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen.