Lage der Industrie im Dezember Großes Auftragsplus dank Flugzeugbestellungen
Die deutsche Industrie verzeichnet im Dezember ein überraschend großes Auftragsplus. Vor allem Flugzeugbestellungen retten die Gesamtbilanz, die sonst schwach ausgefallen wäre.
Die deutsche Industrie hat im Dezember überraschend den stärksten Auftragszuwachs seit rund dreieinhalb Jahren verbucht. Das Neugeschäft legte um 8,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Ökonomen hatten mit einer derart positiven Entwicklung nicht gerechnet. Viele erwarteten eine Stagnation oder sogar einen Rückgang.
Die Bestellungen aus dem Inland stiegen im Dezember um 9,4 Prozent zum Vormonat. Die Auslandsnachfrage nahm um 8,5 Prozent zu. Zurückzuführen ist das kräftigste Plus seit Juni 2020 auf ungewöhnlich viele Großaufträge in einer Reihe von Branchen.
"Insbesondere wurden außergewöhnlich viele Flugzeuge bestellt", hieß es vom Statistischen Bundesamt. Im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus (Flugzeuge, Schiffe, Züge et cetera) waren die Auftragseingänge im Dezember mehr als doppelt so hoch (plus 110,9 Prozent) wie im Vormonat. Ohne diese Effekte wären die Bestellungen um 2,2 Prozent gefallen.
Starker Rückgang im Autobau
Erneut seien die Ordereingänge "stark durch Schwankungen bei Großaufträgen geprägt", teilte das Bundeswirtschaftsministerium zu den Daten mit. "Vor allem der sonstige Fahrzeugbau und elektrische Ausrüstungen verzeichneten kräftige Zuwächse." Zuwächse habe es aber auch in den metallerzeugenden Betrieben und in der Pharmaindustrie gegeben. Die Bereiche Kraftfahrtzeuge und Kfz-Teile, Maschinenbau und chemische Erzeugnisse hätten hingegen Rückgänge gemeldet, heißt es vom Ministerium.
Den Rückgang im "gewichtigen Bereich Kfz/Kfz-Teile" betrug danach im Monatsvergleich im Dezember fast 15 Prozent. Damit fiel der Rückgang in einem der wichtigsten Bereiche der deutschen Industrie deutlich stärker als im Maschinenbau und in der chemischen Industrie.
"Wende zum Besseren nicht in Sicht"
Ökonomen reagieren trotz des großen Auftragsplus überwiegend zurückhaltend auf die Daten. Eine Kehrtwende sehen sie nicht: "Die Produktion wird dank Großaufträgen über Wasser gehalten", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "Dass ohne Großaufträge nicht viel los ist, unterstreicht die unterliegende Schwäche der Industrie." Auch ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski rät dazu, die Daten "trotz der ersten Begeisterung mit einer großen Prise Salz" aufzunehmen.
Nach Einschätzung des Commerzbank-Analysten Ralph Solveen zeigen die Auftragsdaten ohne Berücksichtigung der Großaufträge, "dass eine Wende zum Besseren für die deutsche Industrie nicht in Sicht ist". Vielmehr sei zu befürchten, dass die deutsche Wirtschaft auch zu Beginn des neuen Jahres schrumpft und für das gesamte Jahr 2024 am Ende ein Minus zu Buche schlagen werde.
Anhaltender Auftragsmangel
Auf das vierte Quartal 2023 gesehen lag der gesamte Auftragseingang trotz des starken Dezembers nur um 0,1 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor. Im Gesamtjahr 2023 fiel er sogar um 5,9 Prozent niedriger aus als 2022, weil etwa die schwache Weltkonjunktur und hohe Zinsen die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" belasten.
"Betrachtet man den längerfristigen Trend, so ist die Auftragslage in der deutschen Industrie in den letzten zwei Jahren weiterhin rückläufig", sagte Brzeski. "Es bedarf noch vieler weiterer positiver Daten, um eine deutliche Erholung der Wirtschaft zu signalisieren."
Das ifo-Institut attestiert der Industrie einen Auftragsmangel, der immer mehr zu einer Belastung für die deutsche Konjunktur zu werden drohe. Im Januar berichteten 36,9 Prozent der Industriefirmen von fehlenden Aufträgen, wie die Münchner Forscher bei ihrer monatlichen Umfrage herausfanden.