Getränkehersteller mit Problemen Die Folgen des Kohlensäure-Mangels
Europaweit können Getränkehersteller nicht genug Kohlensäure zukaufen. Erste Brauereien mussten bereits einen Teil ihrer Produktion stoppen. Die Auswirkungen dürften auch Verbraucher zu spüren bekommen.
Es sind nur sechs statt der eigentlich benötigten 28 Tonnen Kohlensäure - und doch sind die Sorgen bei Gottfried Csauth seit diesem Mittwoch etwas kleiner geworden. Der Chef der Aktienbrauerei Kaufbeuren konnte eine kleine Lieferung Kohlensäure in Empfang nehmen. Seine Erleichterung zeigt, wie angespannt die Stimmung unter den Brauern derzeit ist. Denn Csauth ist froh über jede noch so kleine Menge. "Es ist die erste Lieferung überhaupt seit Ende August, und natürlich kommen wir damit nicht weit", sagt Csauth. "Aber wir nehmen alles und sind froh um jede Tonne, die wir an Kohlensäure bekommen."
Herstellungsstopp und drohende Kurzarbeit
Mit der gelieferten Kohlensäure will Csauth nun wieder eine kleine Menge an Mineralwasser und Limonaden produzieren. Denn die Herstellung dieser Produkte hatte er Anfang September gestoppt. Zwei Wochen lang liefen bei der Aktienbrauerei Kaufbeuren weder Limo noch Wasser vom Band. Das Getränkelager leerte sich, sogar Kurzarbeit für seine 93 Mitarbeiter stand im Raum.
"Es war traurig. Ich wusste nicht, ob ich meine Mitarbeiter morgen nach Hause schicken muss oder wie es weitergeht", so der Brauereichef. Doch auch wenn er jetzt kurz aufatmen kann, bleibt Csauth angespannt. Denn bleibe es bei der einen Lieferung, so sagt er, stehe zumindest die Limonadenproduktion bald wieder still. Die Kohlensäuremenge reiche nur ein paar Tage lang, um alle Produkte herzustellen.
Auch als Hilfsstoff unverzichtbar
Bei vielen alkoholfreien Getränken wie Mineralwasser oder Limo ist Kohlensäure als Zutat ein fester Bestandteil. Doch auch beim Bier sind Brauereien auf Kohlensäure angewiesen. Sie brauchen sie als Hilfsstoff, um Tanks, Fässer und Flaschen "vorzuspannen", damit das Bier nicht mit Luft in Kontakt kommt und beim Abfüllen nicht schäumt. Letztlich wird dadurch die Haltbarkeit erhöht.
Doch der Markt an Kohlensäure, die durch die Reaktion von Kohlendioxid und Wasser entsteht, ist so gut wie leer. Mario Ĉurĉić ist Deutschlandchef der SOL GROUP, einem Hersteller für künstliche Gase mit Sitz in Krefeld. Laut Ĉurĉić basiert etwas über 50 Prozent des Kohlensäuremarktes auf der sogenannten Ammoniaksynthese, also der Düngemittelherstellung.
Aufgrund der hohen Erdgaspreise hätten viele Düngemittelhersteller ihre Produktion entweder komplett heruntergefahren oder deutlich reduziert, so Ĉurĉić: "Damit fehlen im Moment ungefähr 30 bis 40 Prozent der kompletten Kohlendioxidmenge, die benötigt wird in Europa."
Mangel trifft nicht alle gleich
Bei vielen Brauereien werden die Kohlensäuretanks deshalb immer leerer. Im Vorteil sind jetzt die, die sogenannte Rückgewinnungsanlagen eingebaut haben - also spezielle Maschinen, mit denen die Kohlensäure, die bei der Biergärung entsteht, aufgefangen, gereinigt und wiederverwendet wird.
Finanziell und baulich umsetzbar ist das meist jedoch nur für die großen Brauereien wie zum Beispiel Oettinger. Das Unternehmen kann nach eigenen Angaben an drei von vier Produktionsstandorten auf solche Anlagen zurückgreifen. Dadurch sei es der Brauerei möglich, mehr als die Hälfte der benötigten Kohlensäure selbst zu produzieren - und Engpässe zumindest phasenweise auszugleichen. Doch ganz ohne Kohlensäurezukauf geht es auch bei Oettinger nicht.
Planung "von Tag zu Tag"
Von den mittelständischen Brauereien besitzt kaum jemand so eine Anlage - auch Riegele in Augsburg nicht. Die Brauerei beschäftigt momentan 150 Mitarbeiter und macht laut eigener Aussage um die 30 Millionen Euro Umsatz. Derzeit wird bei Riegele viel Spezi abgefüllt - mit Kohlensäure als wichtiger Zutat. Noch lagert ein wenig von dem wertvollen Gas im Tank der Brauerei, doch Geschäftsführer Sebastian Priller ist froh um jede Charge, die abgefüllt in den Getränkekästen landet.
"Natürlich ist man bei jeder Abfüllung erleichtert, nur das kann ja kein Dauerzustand sein", sagt Priller. "Im Moment fehlt vollständig die Planungssicherheit. Es ist eine Krise - eine wirklich große Krise. Wir werden die durchstehen, aber es ist untertrieben, wenn ich nur sage, es ist herausfordernd."
Man plane nur noch von Tag zu Tag. Auch bei Riegele schließt man nicht aus, dass der Betrieb bald schon Produkte aus dem Randsortiment nicht länger herstellen kann - etwa einzelne Limonaden. Zudem geht Brauereichef Priller fest davon aus, dass es beim Bier wie auch bei Getränken insgesamt zu Preissteigerungen für die Kunden kommen wird.
Hält den Kohlensäuremangel für eine "wirklich große Krise": Sebastian Priller, Chef der Brauerei Riegele in Augsburg.
Hamstern ist keine Lösung
Gleichzeitig raten die Brauer den Konsumenten jedoch dringend von Hamsterkäufen ab. Ein solches Verhalten führe nur zu weiteren Problemen, heißt es aus der Branche. "Hamstern ist für unsere Branche kontraproduktiv, weil uns dann das Leergut ausgeht", sagt Georg Schneider, Präsident des Bayerischen Brauerbunds.
Schneider geht davon aus, dass es auch im Winter genug Bier geben wird - zumindest was die Hauptsorten betreffe. Er könne jedoch nicht ausschließen, dass Brauereien wegen zu geringer Kohlensäurelieferungen teilweise die Herstellung bestimmter Spezialitätenbiere einstellen.
Solche Überlegungen gibt es auch bei der Aktienbrauerei Kaufbeuren und bei Riegele in Augsburg. Auch hier will man sich notfalls auf die Herstellung und das Abfüllen der Hauptsorten beschränken. Geschäftsführer Priller geht davon aus, dass "Kohlensäure ein knappes Gut bleiben wird - mindestens bis Mitte nächsten Jahres".