Jugendarbeitslosigkeit steigt weiter "Italien ist kein Land für junge Menschen"
Immer mehr junge Menschen verlassen Italien - die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 36 Prozent, für die unter 25-Jährigen gibt es kaum Perspektiven. Italiens Regierungschef Monti ist angetreten, um den Arbeitsmarkt zu reformieren. Doch bisher sind die Erfolge bescheiden.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Die Krise in Italien hat ein Gesicht, ein junges Gesicht. Die jungen Italiener sind die Verlierer der tiefen Rezession, in der das Land seit Jahren steckt. Ministerpräsident Mario Monti ist einst angetreten, das zu ändern. Seine Regierungserklärung lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: "Fast immer ist das, was der Jugend nützt, auch dem Land nützlich. Fast immer schränkt das, was die Chancen der Jugend einschränkt, auch die Zukunft des Landes ein."
Doch acht Monate nach dem Antritt der Regierung Monti hat sich noch nicht viel getan. Die Arbeitslosigkeit wächst weiter. Noch schneller wächst nur die Jugendarbeitslosigkeit: 36 Prozent der unter 25-jährigen Italiener suchen Arbeit. Bei den etwas Älteren sieht es nicht sehr viel besser aus. Viele hangeln sich, so wie der 31-jährige Politikwissenschaftler Nicola Maiale, von Job zu Job: "Ich habe immer in der öffentlichen Verwaltung gearbeitet, zuerst hatte ich einen befristeten Vertrag, dann nur noch auf Honorar-Basis, die Verträge liefen dann über drei oder sechs Monate, die jeweils für drei Monate verlängert werden konnten.
Zwei-Klassen-Gesellschaft zu Lasten der Jüngeren
Der italienische Arbeitsmarkt ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite ältere und öffentliche Angestellte, die einen starken Kündigungsschutz genießen. Auf der Schattenseite stehen junge Menschen wie Nicola, die es kaum schaffen, eine feste Stelle zu ergattern.
Monti versucht mit einer Arbeitsmarktreform, das System flexibler zu machen: "Diese Reform ermöglicht mehr Flexibilität in beide Richtungen. Der Schutz der Arbeitnehmer wird besser aufgeteilt, weg von überbeschützten hin zu den schutzlosen, den jungen Menschen und den Arbeitslosen."
Künftig ist es leichter möglich, Arbeitnehmern zu kündigen. Außerdem gibt es mehr Möglichkeiten, gegen Scheinselbstständigkeit vorzugehen. Befristete Verträge werden durch Zuschläge für die Arbeitgeber unattraktiv gemacht. Und schließlich soll ein Berufsbildungssystem nach deutschem Vorbild den Einstieg ins Berufsleben erleichtern.
Viele wandern aus - und bleiben weg
Monti will damit die Jungen fördern und vor allem im Land halten. Denn viele wandern aus, zum Beispiel nach Holland wie Salvatore: "Die Konjunktur hält mich davon ab, im Moment nach Italien zurückzukehren. Denn es ist leichter in Holland, nach dem Universitätsabschluss einen Job zu finden, die Jugendarbeitslosigkeit ist dort unglaublich viel niedriger. Hier in Italien liegen wir bei mehr als 30 Prozent, in Holland sind es fünf Prozent."
Die Krise hat auch demographische Folgen. Nicht nur, dass junge Italiener auswandern, angesichts der unsicheren Lage können und wolle viele keine Familie gründen. Alessandro Rosina, Demographie-Professor in Mailand, erklärt die Folgen: "Wir verlieren gerade eine große Reserve, die lebenswichtig ist. Der Motor für das Wachstum, der wertvollste Teil der Bevölkerung. In Frankreich, das eine ähnliche Bevölkerungszahl hat, leben vier Millionen mehr junge Menschen unter 25 Jahren."
Rosina hat ein Buch zur Lage dieser alternden Nation geschrieben, der Titel sagt alles: "Italien ist kein Land für junge Menschen."