Beschlüsse des EU-Gipfels "Kein Freibrief für Banken"
Direkte Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds für Banken, leichtere Unterstützung für reformwillige Länder. Diese Beschlüsse des EU-Gipfels sieht der Finanzexperte Adalbert Winkler positiv. Sie seien kein Freibrief für die Banken, sagt er im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: An den Finanzmärkten werden die Beschlüsse des EU-Gipfels positiv aufgenommen. Wie bewerten Sie die Brüsseler Ergebnisse?
Adalbert Winkler: Ich kann den Finanzmärkten da nicht widersprechen. Ich glaube, es war ganz wichtig, dass wir für Staatsschuldentitel der Krisenländer Zinssenkungen bekommen. Das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass diese Länder aus der Wachstumsschwäche herauskommen - und dass damit wieder Vertrauen in die Volkswirtschaften und Staatsfinanzen dieser Länder zurückkehrt.
Adalbert Winkler ist Professor für Development Finance an der Frankfurt School of Finance & Management. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geldpolitik, die Stabilität des Finanzsystems und die internationale Rolle von Währungen. Zuvor arbeitete er für EZB und Bundesbank.
Bankensanierung auf Kosten der Steuerzahler?
tagesschau.de: Künftig sollen die Banken direkt Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds beantragen können. Ist das nicht ein Freibrief, um sich erneut auf Kosten der Steuerzahler zu sanieren?
Winkler: Das ist kein Freibrief. In jedem Land gibt es Bankenaufsichten. Die Tatsache, dass beispielsweise der deutsche Staat nach 2008 Banken rekapitalisiert hat, bedeutet nicht, dass Banken in Deutschland tun und lassen können, was sie wollen. Von einem Freibrief könnte man nur sprechen, wenn wir unterstellen würden, dass die jetzt beschlossene europäische Bankenaufsicht deutlich schlechter arbeiten wird als nationale Bankenaufsichten. Davon ist aber nicht auszugehen.
tagesschau.de: Die zentrale Bankenaufsicht soll unter dem Dach der Europäischen Zentralbank angesiedelt sein. Kann das nicht die Unabhängigkeit der EZB beeinträchtigen?
Winkler: Ich sehe da kein Problem mit der Unabhängigkeit. Historisch gesehen war die Bankenaufsicht eigentlich immer bei den Zentralbanken angesiedelt. Durch die Finanzkrise ist das noch sinnvoller geworden. Die Zentralbanken haben kriselnde Banken verstärkt mit frischem Kapital versorgt. Um das zu entscheiden, ist Wissen über die Zahlungsfähigkeit und die Ertragskraft der Banken ganz entscheidend. Und das kann sie nur bekommen, wenn sie direkten Zugriff auf die Daten der Bankenaufsicht hat.
"Schritt unter Rettungsschirm erleichtert"
tagesschau.de: Reformwillige Länder sollen leichter Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds erhalten - ohne zusätzliche Auflagen. Was bedeutet das für die Stabilität des Finanzsystems?
Winkler: Die Stabilität des Finanzsystems ist durch diese Maßnahme nicht unmittelbar gestärkt oder geschwächt worden. Man hat gesehen, dass die Staaten fast bis zur letzten Sekunde warten, um Mittel aus dem Rettungsfonds abzurufen. Weil sie die Befürchtung haben, in diesem Fall von den Finanzmärkten abgestraft zu werden - und damit die Linderung der Probleme hinauszögern. Der Schritt unter den Rettungsschirm wir jetzt erleichtert. Das ist nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre kein schlechter Schritt.
tagesschau.de: Immerhin gibt es bei diesem EU-Gipfel konkrete Ergebnisse. Was glauben Sie: Muss die Politik trotzdem schon bald wieder nachbessern?
Winkler: Die Krise ist mit diesen Beschlüssen nicht vorbei. Das ist erst der Fall, wenn das Wachstum in den Krisenländern wieder zulegt. Solange wir hier keine Entspannung haben, werden wir uns mit diesem Thema sicher weiter beschäftigen.
Das Gespräch führte Ina Böttcher, tagesschau24