Sorgen über Deflation Der Fluch der niedrigen Preise
Preise, die nicht so stark steigen - was Verbraucher freuen mag, sind für die Wirtschaft auf lange Sicht ein Problem. In der Eurozone liegt die Inflation derzeit deutlich unter dem von der Zentralbank angestrebten Wert. Und so wächst die Angst vor einer Deflation.
Die Inflationsrate in der Eurozone hat im April leicht angezogen. Aus Sicht der Währungshüter bleibt sie aber auf einem bedenklich niedrigen Niveau, wie schon seit Monaten. Das schürt in dem Währungsgebiet die Angst vor einer Deflation - also einer Spirale aus fallenden Preisen und Zurückhaltung von Konsumenten und Investoren, die in der Hoffnung auf weiter sinkende Preise große Anschaffungen hinauszögern bzw. nicht mehr investieren und einstellen. Das wäre für die sich gerade mühsam erholende europäische Wirtschaft Gift.
Die Teuerungsrate im Euroraum betrug im April nach Angaben der EU-Statistikbehörde 0,7 Prozent. Im März war der Anstieg der Verbraucherpreise in der Währungsunion mit 0,5 Prozent so niedrig gewesen wie seit Herbst 2010 nicht mehr. Vor einem Jahr betrug sie hingegen immerhin noch 1,2 Prozent.
EZB sieht derzeit keine Deflationsgefahr
Die Gefahr einer Deflation besteht nach Ansicht der EZB dennoch nicht. Die alle drei Monate befragten 55 Beobachter der EZB-Geldpolitik gingen davon aus, dass die Teuerungsrate bis zum Jahr 2016 maximal auf 1,5 Prozent klettern werde, teilte die Zentralbank mit. Die Fachleute revidierten damit ihre Prognosen allerdings nach unten.
Mittelfristig strebt die EZB jedoch eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Sie bereitet daher ein Eingreifen vor, wie die Zentralbanker in den vergangenen Tagen in ungewohnter Deutlichkeit mitteilten. Wichtige Entscheidungen werden auf der Juni-Sitzung des EZB-Rates erwartet. Dann könnte die Zentralbank ihre lockere Geldpolitik nochmals ausweiten. Vergangene Woche hatte die EZB ihren Leitzins noch bei 0,25 Prozent belassen.
"Der Rat ist geschlossen in seiner Bestimmtheit, auch unkonventionelle Instrumente innerhalb seines Mandats zu nutzen, um effektiv mit den Risiken einer zu langen Phase von niedriger Inflation umzugehen", kündigte EZB-Präsident Mario Draghi vergangene Woche an.
Dazu zählen Maßnahmen wie zusätzliche Langfristkredite für Banken, Käufe von Kreditverbriefungen (ABS) oder Strafzinsen für Banken, die ihr Geld lieber bei der EZB parken statt dieses an Firmen und Haushalte zu verleihen. Eine Zinssenkung könnte aber auch den starken Euro belasten. Dessen Aufwertung drückt nämlich über den Umweg sinkender Importpreise die Teuerung insgesamt.
Deflation bedeutet, dass die Preise für Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft fallen. Das Geld gewinnt an Wert, weil die Menschen mehr dafür kaufen können. Deflation ist damit das Gegenteil von Inflation und in der Regel das Ergebnis einer sinkenden Nachfrage. Vor allem in Phasen eines wirtschaftlichen Abschwungs geben Konsumenten weniger Geld aus. Auch Unternehmen halten sich zurück und investieren kaum noch. Dadurch sinken Umsätze und Gewinne von Firmen. Um mehr zu verkaufen, reduzieren sie die Preise. Die Deflation beschleunigt sich oft noch dadurch, dass Kunden einen weiteren Preisverfall erwarten. Sie verschieben dann Einkäufe und verstärken den Rückgang der Nachfrage.