Verhandlungen über Etat 2024 Wo die großen Löcher klaffen
Die Spitzen der Ampelkoalition suchen Auswege aus der Haushaltskrise. Die Wirtschaft drängt, einige Vorhaben stehen auf der Kippe. Was macht die Gespräche so schwierig - und um wie viel Geld geht es genau?
Gerade in der Wirtschaft macht man sich Sorgen über die Hängepartie in Sachen Haushalt. "Wir haben keine Haushaltskrise, sondern eine Entscheidungskrise mit mangelnder Kompromissbereitschaft", schimpft Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Einsparungen von 17 Milliarden bei einem Bundeshaushalt mit einem Volumen von mehr als 450 Milliarden Euro müssten lösbar sein, so Dulger. Ähnliche Stimmen kommen auch aus der Politik. Doch um welche Milliarden geht es überhaupt?
17 Milliarden - jenseits der Schuldenbremse
Nach Angaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) fehlen im eigentlichen Bundeshaushalt für 2024 die besagten 17 Milliarden Euro. Hintergrund sind Entscheidungen der Ampel-Koalition, die im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsentwurf für zusätzliche Kosten gesorgt haben.
So hat die Koalition die Sätze für das Bürgergeld zum 1. Januar deutlich erhöht. Sie hat den Ländern und Kommunen zusätzliche Gelder zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zugesagt. Sie hat angekündigt, die Hilfen für die Ukraine aufzustocken. Und sie hat Kürzungen, die noch in Lindners Haushaltsentwurf vom Sommer vorgesehen waren, zurückgenommen - so bei den Bundesfreiwilligendiensten und den Jobcentern.
Auch die Einschnitte beim Elterngeld sollen weniger stark ausfallen als zunächst geplant. All das hat mit dem Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse zunächst einmal nichts zu tun.
Weiteres Loch im Klima- und Transformationsfonds
Anders ist das bei den vielfach genannten 60 Milliarden Euro. Diese fehlen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Klima- und Transformationsfonds. Die Karlsruher Richter hatten nämlich die Umwidmung von Corona-Schulden für andere Projekte als Umgehung der Schuldenbremse gewertet.
Nun müssen diese 60 Milliarden nicht auf einen Schlag eingespart werden, denn der Fonds hat eigene Einnahmen und auch ordentliche Rücklagen. Doch für einen Teil der 60 Milliarden besteht Handlungsbedarf, sonst können Ausgaben, die eigentlich für das nächste Jahr geplant sind, nicht finanziert werden. Nach Angaben von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geht es dabei um 13 Milliarden Euro.
Diese 13 Milliarden kommen also zu den 17 Milliarden noch dazu - der Handlungsbedarf für die Bundesregierung beträgt damit schon 30 Milliarden Euro.
5,5 Milliarden zur Unterstützung der Wirtschaft
Und es gibt noch einen weiteren Topf, der vom Karlsruher Urteil betroffen ist: der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, den die Bundesregierung vorzeitig zum Jahresende schließt. Eigentlich hätten aus diesem Fonds im kommenden Jahr weitere Energiepreishilfen fließen sollen. Aktuell diskutiert werden insbesondere 5,5 Milliarden Euro, mit denen die Stromgebühren gesenkt werden sollen - und zwar über eine Subvention der Netzentgelte. Diese sind für einen erklecklichen Teil der Stromkosten verantwortlich.
Die Ampel-Regierung hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie verzichtet auf diesen Plan, was mit höheren Strompreisen für Verbraucher und Firmen verbunden wäre. Oder sie muss die dafür nötigen Milliarden aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Damit würde sich das Loch im Haushalt auf mindestens 35 Milliarden Euro erhöhen. Die Aufnahme von Schulden, soweit sie im Rahmen der Schuldenbremse möglich ist, ist dabei übrigens schon einberechnet.
Und noch ein paar Milliarden obendrauf?
Das aber ist noch nicht alles. Einige Vorhaben der Regierung tauchen bislang noch in keinem dieser Posten auf. So will Finanzminister Lindner den steuerlichen Grundfreibetrag sowie den Kinderfreibetrag zum 1. Januar stärker anheben als bislang beschlossen. Der Grundfreibetrag - das ist der Betrag, für den überhaupt keine Steuern zu zahlen sind - soll Lindner zufolge auf 11.784 Euro (bisher: 10.908 Euro) steigen, der Kinderfreibetrag auf 6.612 Euro (bisher: 6.024 Euro). Die entsprechenden Entlastungen für die Steuerzahler sind aber mit zusätzlichen Einnahmeausfällen für Bund, Länder und Kommunen verbunden.
Außerdem sollen im Bundeshaushalt 2024 zwölf Milliarden Euro für die so genannte "Aktienrente" bereitgestellt werden, aus deren Erträgen in den 2030er-Jahren die gesetzliche Rentenversicherung stabilisiert werden soll. Der Vorteil für Lindner bei diesem Vorhaben: Für die Finanzierung dieser milliardenschweren Ausgabe darf er mehr Schulden machen, weil den entsprechenden Ausgaben ein Gegenwert gegenübersteht.