Generalstreik in Griechenland Proteste und Appelle gegen die Finanz-Hydra
Aus Protest gegen neue Einsparungen sind in Griechenland Tausende in den Streik getreten. Das Land werde in Armut versinken, prophezeien die Kritiker. Finanzminister Venizelos vergleicht Griechenlands Finanzprobleme mit einer Hydra: "Weil wir keinen Herkules haben, müssen wir alle zusammenstehen."
Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zurzeit Athen
"Es reicht" - unter diesem Motto streiken heute Tausende Griechen und wehren sich gegen weitere Lohnkürzungen. Schulen bleiben dicht, ebenso Ministerien. Viele Busse und Züge fahren nicht, auch die meisten Fähren bleiben im Hafen und laufen nicht aus zu den Inseln in der Ägäis. In den Krankenhäusern behandeln die Ärzte nur Notfälle. Und auf der Straße ist die Zustimmung zu den Streiks groß, denn viele Griechen haben wirklich das Gefühl, dass es jetzt reicht mit all den Sparmaßnahmen.
"Wir haben 30 Jahre lang für ein besseres Leben gearbeitet - und jetzt machen sie alles immer schlimmer", schimpft eine Rentnerin über die Regierung, die auf Druck der Troika Lohnkürzungen vor allem in der Privatwirtschaft durchsetzen will. Die Troika, also die EU, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds, bemängelt, dass die bisherigen Reformen nicht richtig gegriffen haben. Die Löhne müssten noch weiter runter, damit die griechische Wirtschaft international wettbewerbsfähig wird. Die Regierung von Ministerpräsident Lucas Papademos sieht das auch so und stößt auf heftigen Widerstand.
"Politischer Selbstmord"
Statis Anestis von der Gewerkschaft der Angestellten empört sich: "Wir können das nicht hinnehmen. Diese Sparmaßnahmen führen das Land eben nicht aus der Krise heraus, sondern noch tiefer in die Sackgasse. Und die Menschen werden in die Armut getrieben." Fast genauso argumentieren viele Unternehmer. Sie fürchten, das Land werde kaputtgespart. "Das wird zu Armut unter griechischen Bürgern führen. Es ist politischer Selbstmord", sagt Giorgos Kavatas vom Verband der Handwerker und Kaufleute. Er zeichnet ein düsteres Bild: "Krankenversicherungen werden zusammenbrechen, die Wirtschaft wird zusammenbrechen. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, Firmen werden dichtmachen und noch mehr Jobs werden verloren gehen."
Trotzdem bleibt die Regierung Papademos dabei: Die Sparbeschlüsse müssen ungesetzt werden. Auf einer Krisensitzung will Papademos heute erneut versuchen, die drei Parteien seiner Regierungskoalition auf diese Linie einzuschwören. Aber in allen drei Parteien gibt es Vorbehalte.
Wie eine Hydra, nur gibt es keinen Herkules
Gleichzeitig verhandelt Finanzminister Evangelos Venizelos mit Vertretern der Troika in Athen über Details des neuen Spargesetzes. "Das sind harte Verhandlungen", gibt er zu. Immer wenn ein Problem gelöst sei, trete ein neues auf. Das sei wie beim Schlangenungeheuer Hydra aus der griechischen Mythologie: Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei nach. "Es ist wirklich wie eine Hydra. Und weil wir keinen Herkules haben, der es alleine mit Hydra aufnehmen könnte, müssen wir alle zusammenstehen. Wir müssen gemeinsam die Bürger überzeugen, dass nur dieses Programm uns zu den Zielen führt, die wir erreichen wollen", sagt der Finanzminister.
Sein Ziel hat Venizelos genau vor Augen: "Dass Griechenland den Euro behält, in der EU bleibt und verlorenen Boden wieder gutmacht." Venizelos schießt noch die Warnung hinterher: Ohne die Sparbeschlüsse würde es keine neuen Hilfskredite geben und Griechenland würde tatsächlich aus der Euro-Zone fliegen und in der Pleite versinken. Das, so Venizelos gebetsmühlenhaft, müssen man verhindern, deshalb seien die Sparbeschlüsse nötig.