Bundesregierung für neues Hilfspaket Schäuble fordert 90 Milliarden für Griechenland
Die Bundesregierung will Griechenland mit einem zweiten Rettungspaket vor der Pleite bewahren. Finanzminister Schäuble bezifferte den Bedarf der Regierung in Athen auf zusätzliche 90 Milliarden Euro. Gemeinsam mit Kanzlerin Merkel warb er in der Koalition um Zustimmung für Hilfen und eine Umschuldung.
Die Bundesregierung hat in den Koalitionsfraktionen eindringlich um Zustimmung für ein zweites Rettungspaket für Griechenland geworben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte am Abend bei Sondersitzungen der Fraktionen von Union und FDP, dass die Regierung in Athen in den kommenden drei Jahren zusätzliche Hilfen in Höhe von 90 Milliarden Euro brauche. Er sprach sich zugleich für eine "weiche" Umschuldung aus. Durch einen Anleihetausch soll das hoch verschuldete Griechenland de facto einen Zahlungsaufschub erhalten. Schäuble hatte zuvor bereits die Einbindung privater Geldgeber bei weiteren Hilfen verlangt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich ausdrücklich hinter die Forderung Schäubles, private Gläubiger im Rahmen einer "weichen" Umschuldung einzubinden. "Ich rate, dieses Element aufzunehmen. Es muss ein privater Beitrag geleistet werden", betonte Merkel vor der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern. Eine "harte" Umschuldung Griechenlands mit einem erzwungenen Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen ist nach Einschätzung der Kanzlerin dagegen keine Option. Man könne nicht absehen, welche Folgen so ein Schritt für andere Euro-Länder wie Spanien und Belgien auslösen könnte.
Abgeordnete sollen Forderungen vorbringen
Im Laufe des heutigen Tages wollen die Koalitionsfraktionen einen Entschließungsantrag vorlegen, den der Bundestag morgen beschließen soll. Damit sollen die Leitlinien für die deutsche Verhandlungsposition auf EU-Ebene festgelegt werden, die Schäuble auf dem Euro-Finanzministertreffen am 20. Juni und Merkel auf dem EU-Gipfel am 24. Juni vertreten sollen. Um den erwarteten Unmut über die neuen Hilfen abzufangen, forderte Merkel die Abgeordneten auf, ihre Forderungen offen vorzutragen.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erwartet eine Einigung auf neue Griechenland-Hilfen. "Wenn Griechenland in einen unkontrollierten Staatsbankrott abgleiten würde, sind es Gefahren, die keiner richtig abschätzen kann", sagte er im ARD-Morgenmagazin. "Ohne die Zustimmung Deutschlands gibt es keine weiteren Zahlungen", betonte er aber zugleich. Deshalb werde das Parlament der Bundesregierung mit dem Entschließungsantrag am Freitag eine klare Handhabe für das Vorgehen auf EU-Ebene geben. Das mache deutlich: "Ohne diese Prämissen und ohne die Zustimmung Deutschlands wird es gar nichts geben."
Schäuble erläutert Prüfbericht der Troika
Schäuble legte bei den Fraktionssitzungen auch Details des jüngsten Griechenland-Berichts der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vor. Dieser stellt fest, dass Griechenland neue Finanzhilfen von außen braucht, um seine Probleme zu lösen. Ohne weitere Unterstützung der Partner werde das Land nicht in der Lage sein, wie ursprünglich geplant bereits ab 2012 auf dem Kapitalmarkt wieder Geld von privaten Investoren einzusammeln. Griechenland riskiere, die vereinbarten Defizitziele zu verfehlen, wenn es nicht weitere Konsolidierungsmaßnahmen ergreife. Außerdem sei die Rezession in dem Mittelmeerland länger und stärker als bislang berechnet.
90 Milliarden Euro Mehrbedarf?
Über den Prüfbericht berieten auch die Mitglieder der Eurogruppe in einer Telefonkonferenz. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erklärte im Anschluss, dabei habe es einen ersten Austausch über die weitere Finanzierung des Athener Anpassungsprogramms gegeben. Auch er bezifferte den zusätzlichen Finanzbedarf Griechenlands auf 90 Milliarden Euro.
Schäuble enthielt auch Unterstützung auf europäischer Ebene. Währungskommissar Olli Rehn befürwortete eine stärkere Einbindung privater Gläubiger, um eine mögliche Staatspleite Griechenlands abzuwenden. "Ich denke, wir haben das komplette Paket einschließlich der Beteiligung des privaten Sektors bis zum 20. Juni fertig", sagte er. Festlegungen gebe es noch keine. Die Euro-Finanzminister hätten gestern aber bereits über die von Schäuble vorgeschlagene Lösung gesprochen, bei der private Gläubiger wie etwa Banken neue griechische Staatsanleihen kaufen würden, wenn die alten auslaufen, erklärte Rehns Sprecher.