Vor dem Euro-Finanzministertreffen Stellt sich der IWF quer?
EU-Kommission und IWF sind in der Griechenland-Schuldenkrise offenbar aneinandergeraten - und das kurz vor dem Euro-Finanzminister-Treffen. Der IWF wirft Brüssel laut "Süddeutsche Zeitung" vor, eine Einigung mit Athen "zu verwässern". Aus Athen kam Kritik an "bestimmten" Gläubigern.
In Brüssel soll heute erneut versucht werden, die Weichen für eine Rettung Griechenlands zu stellen. Doch die Nervosität vor dem Treffen der Euro-Finanzminister am Abend ist groß - nicht nur in Athen, sondern offenbar auch bei den Gläubigern: Offenbar ist ein Streit zwischen dem Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission entbrannt: Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, wirft IWF-Chefin Christine Lagarde der EU-Kommission um Jean-Claude Juncker vor, die Bedingungen für eine Einigung mit Griechenland aufzuweichen. Aus Gläubigerkreisen hieß es nach dem Bericht, für den IWF sei es nicht hinnehmbar, wenn immer stärker von dem ursprünglichen Forderungspapier abgewichen werde.
Heftige Reaktion aus der EU
Den Forderungskatalog hatten die Gläubiger-Institutionen aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank gemeinsam entwickelt. Der IWF wirft nun der Kommission vor, sie sei zu nachgiebig, weil sie sich nicht an diesem Papier, sondern an den Vorstellungen Athens orientiere, berichtet die "Süddeutsche" weiter. Aus EU-Kreisen wiederum gab es starke Kritik am Währungsfonds. "Der IWF scheint an einem Deal nicht interessiert zu sein", zitiert die Zeitung einen EU-Diplomaten.
Kritik an "bestimmten" Gläubigern
Derweil zitierte ein griechischer Regierungsvertreter Ministerpräsident Alexis Tsipras mit scharfer Kritik an "bestimmten" Gläubigern. Die hätten die griechischen Vorschläge abgelehnt. Auf welche der drei Institutionen sich Tsipras damit bezog, blieb unklar. Auch wurde nicht genannt, um welche konkreten Vorschläge es ging.
Am Mittag wollen in Brüssel Juncker, Lagarde, EZB-Chef Draghi, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling beraten. Zur Debatte steht die Reformliste, die Athen in letzter Minute vor dem Sondergipfel am vergangenen Montag eingereicht hat. Rund eine Stunde später soll auch Tsipras dazu stoßen. Eine Einigung zwischen den Institutionen und der griechischen Regierung auf Reformvorhaben ist Voraussetzung dafür, dass die Euro-Finanzminister bei ihrem Treffen am Abend die Pläne bewerten und gutheißen können. Gelingt keine Einigung, verfallen die Milliarden aus dem in einer Woche ablaufenden Hilfspaket - damit stünde eine Staatspleite kurz bevor.
Positionen offenbar noch weit auseinander
Doch vor den jeweiligen Spitzentreffen liegen die Positionen zwischen griechischer Regierung und internationalen Geldgebern EU-Vertretern zufolge weiter auseinander. Die Hauptstreitpunkte seien die Themen Mehrwertsteuer, Unternehmensbesteuerung und Renten, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person. Bei den Verhandlungen am Dienstag habe es keine großen Fortschritte gegeben.
EU-Gipfel erwartet Einigung der Eurogruppe
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone wollen einem EU-Vertreter zufolge beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag nicht über das Thema Griechenland verhandeln. "Ihre Erwartung ist, dass sie die Einigung der Eurogruppe begrüßen werden, auch wenn das bedeutet, dass die Verhandlungen von Mittwoch bis Donnerstag die Nacht über dauern."
EZB erweitert erneut den Kreditrahmen
Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte derweil zum fünften Mal binnen einer Woche den Rahmen für die sogenannten ELA-Notkredite für griechische Banken. Dies verlautete aus Bankenkreisen in Athen. Um welche Höhe der Kreditrahmen erweitert wurde, blieb erneut unklar. Die EZB sei jederzeit zu einer neuen Intervention bereit, um den griechischen Banken zu helfen, hieß es weiter.
- Samstag, 27. Juni: Die Finanzminister der Euro-Gruppe setzen am Morgen ihr Treffen fort, dass am Donnerstag unterbrochen wurde. Möglicherweise könnte an diesem Wochenende das griechische Parlament über eine Vereinbarung abstimmen.
- Montag, 29. Juni: Von Montag an könnte der Bundestag in seiner letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause über die Hilfen abstimmen. Auch andere nationale Parlamente der Eurozone müssen zustimmen.
- Dienstag, 30. Juni: Griechenland muss Raten von insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Zum selben Stichtag läuft nach aktuellem Stand das derzeitige Hilfsprogramm auf europäischer Seite aus.
Griechen räumen Bankkonten leer
Dennoch: Die Zeit wird knapp. Das hoch verschuldete Griechenland braucht bis 30. Juni eine Entscheidung, denn dann läuft das derzeitige Rettungsprogramm aus. Und eine Einigung in Brüssel müsste dann auch noch durch diverse europäische Parlamente, unter anderem durch den Bundestag. Zudem wird eine Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro an den IWF fällig, die Athen ohne frisches Geld wohl nur schwerlich aufbringen kann.