Nach der Erkrankung von Regierungschef Samaras Troika verschiebt Griechenland-Kontrolle
Heute sollten Kontrolleure von EU, EZB und IWF nach Athen reisen, um Fortschritte bei den griechischen Reformen zu bewerten. Durch die Erkrankungen des Regierungschefs und des designierten Finanzministers, der inzwischen seinen Amtsverzicht erklärte, ist dieser Plan hinfällig.
Michael Lehmann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. in Athen
Die Spitze der griechischen Regierung bleibt länger als gedacht im Krankenstand. Offenbar hat der Wahlkampf dem neuen griechischen Regierungschef und seinem designierten Finanzminister zu viel Kraft abverlangt. Die Ärzte von Antonis Samaras raten ihm dringend nach seiner Augen-Operation am Wochenende zur Schonung. Ein Flug nach Brüssel wäre "fahrlässig", heißt es.
Und der vorgesehene Finanzminister Vassilis Rapanos wird nach einem Schwächeanfall sein Amt gar nicht erst antreten. Dies teilte das Büro von Regierungschef Samaras mit. Damit kommt der Zeitplan Europas im Umgang mit der neuen griechischen Regierung gehörig durcheinander.
Troika-Reise vermutlich eine Woche später
Dabei steht für heute schon lange ein Ausrufezeichen im Kalender: Die sogenannte Troika - also die Kontrolleure von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds - wollen eigentlich so rasch wie möglich Kassensturz machen. Zu befürchten ist, dass sich die finanzielle und wirtschaftliche Situation Griechenlands in den vergangenen Wahlkampfwochen noch einmal dramatisch verschlechtert hat. Mit zwei kranken Top-Leuten der neuen Regierung in Athen aber, so die Entscheidung der Troika schon vor Rapanos' Verzicht, macht der Kassensturz keinen Sinn. Deshalb gewährte sie einen Aufschub um vermutlich eine Woche.
Angst vor Sisyphus-Arbeit
Vor die Mikrophone tritt bis auf weiteres die zweite Garde der Regierungsmannschaft. Der Minister für Entwicklung und Infrastruktur, Kostis Hatzidakis, meinte: "Wir brauchen dringend eine Umkehr der momentanen schlechten Atmosphäre. Einen echten Neubeginn müssen wir vollziehen. Wie sie wissen, ist die Erholung und Weiterentwicklung der Wirtschaft nun von allergrößter Bedeutung." Andernfalls werde der Job der neuen Regierung eine Sisyphus-Arbeit.
Die Zeit der Ankündigungen und Appelle ist jetzt vorbei - diesen Satz haben die neuen griechischen Regierungsvertreter aus ganz Europa zu hören bekommen. Die Vertreter der Geldgeber haben die Einzelheiten des griechischen Regierungsprogramms studiert und sind dabei auf Punkte gestoßen, die zur erklärten Sparabsicht Athens so gar nicht passen wollen: Mehr Geld für Rentner, längere Unterstützung für Arbeitslose und deutlich weniger Stellenabbau im öffentlichen Dienst als es das Sparpaket eigentlich vorsieht.
All diese Details im neuen griechischen Regierungsprogramm müssen erst noch hart verhandelt werden mit den EU-Vertretern. Dass nun ausgerechnet Rapanos, der als angesehendster Experte der neuen Regierung galt, wegen gesundheitlicher Beschwerden seinen Amtsverzicht erklärte, ist mehr als ärgerlich für alle Beteiligten in Athen und in Brüssel.
In Griechenland wächst die Ungeduld
Das alles ist auch kein gutes Signal für die Menschen in Griechenland, die auf einen echten Neubeginn setzen und schnelle, spürbare Fortschritte beim Kampf gegen die Krise erwarten. Rascher als gedacht hat damit schon wieder die Stunde der Verdrossenen und lautstarken Kritiker geschlagen.
Stimmen wie die des arbeitslosen Nikos Tsouvalakis sind in Athen überall zu hören. "Ich kann überhaupt nichts Neues erkennen. Alle von denen sind doch ein und dasselbe mit dem was sie tun und sagen. Ich sehe nicht, dass sich was ändert", schimpft er. "Diese angeblich neuen Herren haben uns doch den ganzen Schlamassel gebracht. Und jetzt wollen sie wieder regieren. Mit denen wird gar nichts besser, sondern schlechter."
Kleines Hoffnungssignal
In Athen beginnen also bange Tage des Wartens: Warten auf die Genesung der neuen Führungsspitze und Warten auf die spätere Ankunft der Troika. Um die Wartezeit etwas zu verkürzen, bringen Finanzexperten wenigstens eine kleine positive Nachricht: Die ersten Anleger haben wieder Vertrauen und bringen ihr Geld wieder zurück auf die Konten der griechischen Banken. Vielleicht ist das ja doch ein Zeichen, dass Griechenlands Neubeginn, wenn auch leicht gebremst, zumindest mal begonnen hat.